„You
can't fuck with me, I'm from Bielefeld“. Die damit gezierte
Wand beschließt ein verwahrlostes Bahnhofsgebäude. Direkt gegenüber
meiner Grundschule am südlichen Rand dieser, meiner Geburtsstadt.
Diese Semiurbanität, aus der ich mehr geflohen als gezogen bin, wo
man Hochdeutsch kann, aber nicht damit prahlt, wo man zum Lachen in
den Keller geht, außer man lacht über sich selbst.
Der
HSV ist Gast auf der Alm. Die Sonne scheint zurückhaltend, genügsam
an diesem Samstagnachmittag Ende August. Die Spielzeit 2008/09 ist
noch jung. Nach zwei Unentschieden weiß man noch nicht, wo man
steht. Obwohl man das als Bielefelder eigentlich immer weiß: unten.
Doch
nach einer guten halben Stunde führen die Heimfarben mit 2:0. Kein
Grund zur Beunruhigung. Verlieren tut wir noch früh genug. Kurz vor
und kurz nach der Pause erzielt der Ex-Armine Reinhardt den
Ausgleich, später trifft Olic und abschließend – als ob es nicht
schon demütigend genug wäre – vollendet auch noch
Fußball-Mephisto David Jarolim persönlich zum 2:4 Endstand. Es ist
ein Treppenwitz in dieser Stadt, dass gegen Arminia immer die
X-beinigen und Gesichtselfmeter treffen. Es ist eines dieser Spiele,
nach denen man sich immer auf der Alm zueinander umdreht und in
souveräner Melancholie nickt: „Hab ich doch gesagt!“ Aber es ist
ein gutes Spiel. Ein paar eigene Großchancen und Aluminium-Treffer
später hallt es die Ränge hinunter: „Niemand erobert den
Teutoburger Wald!“ Das Rund steht. „Es gibt nur eine Arminia!“
Stolz aus 20.000 Kehlen. Man beklatscht einander. „Niemand!
Erobert! Den Teutoburger Wald!“, in der kollektiven Fähigkeit
zwischen Ergebnis und Leistung zu unterscheiden. Frei von Ironie,
frei von Scham. In Köln oder auf Schalke wären sie nach so einem
Spiel sofort ihrer missmutigen Wege gegangen. In Stuttgart,
Frankfurt oder Berlin hätten sie den Mannschaftsbus blockiert. In
München hätten sie ein solches Spiel erst gar nicht verloren. Aber
nicht hier, in diesem von den Römern nie kultivierten Stück
schönster Belanglosigkeit. Hier verliert man,
aber mit Anstand, mit Rückgrat, mit Würde.
Dostojewski
hat mal gesagt: „Ohne Heimat sein heißt Leiden“. Diese
Niederlage, dieser tiefe, ehrliche Stolz, dieses Gefühl von
Zugehörigkeit, diese Ehre, diese Gänsehaut, diese kollektive Größe,
diese fünf Minuten nach Abpfiff, dieser Moment Heimat, ich möchte
ihn nicht missen, für keinen Sieg der Welt.
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