Dienstag, 8. April 2008

Tag 2 - Niemand der uns ruft

Nach wenigen Stunden, die zum Aufwachen sehr nützlich sind, bin ich in Paris. Vom Gare du Nord geht es zum Gare de L'est und zurück. Dabei zeigt Paris mir sein hässliches, graues, übel riechendes und hektisches Gesicht. Es ist nicht so, dass ich geplant hatte unter dem Eiffelturm eines Sonderparkplatz zu erwischen und dann bei Sonnenschein und Eis am Stiel durchs menschenleere Louvre zu schlendern. Aber es kommt kein Stimmung auf. Alles tigert für sich, mit Tunnelblick durch die Straßen. Am Horizont reihen sich Ghettoklötze an unbesetzte Besetzer-Baracken. Schließlich parke ich am überraschend überschaubaren State de France und nehme die stinkende Metro nach Versailles. Für diesen Ort habe ich nur ein Wort; Reizüberflutung. Es macht keinen Sinn über dieses Schloß, den garten, die Gemälde, die Schlaf-, Amüsier- oder Anziehzimmer zu erzählen. Sie spotten jeder Beschreibung. Ich bin einfach geplättet. Es schön und so viel davon, dass ich es abgrundtief hässlich finde. Im Jazz ist jede Note genauso wichtig wie jede nicht gespielte. In Versailles gibt es keine Nicht-gespielten Noten. Dieser Pariser Vorort ist so unglaublich und so menschlich. Dieser Überfluss war für alle hier lebenden Menschen normal. Der Mensch gewöhnt sich an alles und nimmt alles was er bekommen kann. Ob Frauen, Mamor, Essen, Wein oder Frauen. Der Mensch ist es Jäger.
In diesen Gedanken gefangen, verpeile ich die Rückgabestelle für mein Rundgang-plumpe-Ansagen-auf-dem-Kopfhörer zu finden und ziehe das Teil ab. Wer also einen akustischen Rundgang durch Versailles machen will, ruft mich an. Zurück am Auto hänge ich mir das Gerät in die Windschutzscheibe. Es ist von nun an mein Runninggag, Privatwitz und Begleiter.
Trotz NAVI verfahre ich mich mehrfach auf dem Weg aus Paris heraus und verbuche das dortige Auto fahren als weiteres Abenteuer.
Ich fahre parallel zum Atlantik etwas mehr westlich gen Süden. Die Strecke ist zwar länger aber mauttechnisch billiger. Meine Odyssee (jaja... eine Odyssee zeichnet sich eigentlich durch Leiden aus... aber das Wort ist trotzdem schön.) erreicht ihren vorläufigen Höhepunkt, als ich in den Sonnenuntergang blickend, die Musik aufdrehe. Nur die Hits werden gespielt. Von Bettina, bis Jimmy. Von Olli Schulz, welcher „mit dem King unten ist“ bis Fatboy Slim. Von der Dynamik Dregd's und alten Rammsteinsachen bis zur dramaturgisch perfekten und sinnlichen Melancholie früherer Slut-Platten. Geigen hängen am Himmel höher als je zuvor und ich fahre ohne es richtig zu merken bis 3Uhr Nachts. Nach 23 intensiven Stunden zwinge ich mich zu ein paar Stunden Schlaf.
Nur einmal Vor dem Einschlafen aber noch einmal mein Lied ...
Sonntag Morgen und vorbei ist die Nacht / Drei Stunden Schlaf und schon wieder wach / Die Augen sind zu und der Körper ist ruhig/ Doch die Stadt schreit laut und sie schreit durch mich durch / Ich habe nichts zu tun mit dem Treiben da draußen / Ich fahre meine Strecken und ich mach meine Pausen / Ich habe Stimmen im Kopf und ich höre sie sagen / Und sie betteln mich an ab in den Wagen / Du weißt wovon ich sing / ... Ich bin grad unten, unten mit dem King
Die Menschen sind wild und im Casting-Wahn / Und das allein ist Grund genug um wegzufahren / Abgesehen von alledem bin ich sonst ganz gerne hierAbgesehen von alledem muss ich nur noch schnell zu [mir]. Jeder Weg hat seinen Sinn / Jeder Weg hat seinen Sinn / Und wir sind unten mit dem King /
Und niemand der uns ruft / Und niemand der uns ruft / Und niemand der uns ruft

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