Sonntag, 18. April 2010

Einfach Lena

Ein Land auf der Suche nach der Schnittmenge.


Woran erkennt man, dass man älter wird? – Man will im Restaurant nicht mehr in der Mitte des Saales sitzen. Man interessiert sich bei Frauen, mehr für ihren Geruch, ihr Lächeln und ihre Plattensammlung und weniger für ihre Oberweite und ihr Verhältnis von Hüfte zu Hintern. Wobei diese Dinge nicht unbedeutend werden. Und man weiß, dass man älter geworden ist, wenn man nicht Lena heißt. Lena Meyer-Landrut, um genau zu sein.
Zugegeben, ich gucke keine Castingshows. Ich gucke allgemein wenig Hass-TV. Also alles, was man vor allem guckt um sich danach oder währenddessen darüber auszutauschen, dass man es scheiße findet. Talk-, Reality-, Castingshows. Eigentlich alles was auf „-Show“ endet und Olli Pocher. „30% all deiner Zuschauer, sind Hass-Quote“, schätzte einmal Harald Schmidt, welcher mittlerweile seit Jahren intensiv versucht diesen Markt zu erschließen. Mit Erfolg. Doch war die öffentlich-rechtliche-Stefan Raab-Ko-Produktion „Unser Star für Oslo“ nicht mit dem Ziel angetreten, sich einem anderen Markt zu öffnen?! Das qualitativ hochwertige Kultur-Produkt sollte es werden. Ein klarer Antagonist zu Bohlens DSDS. Mit guter Laune, weniger zwanghaftem Migrationshintergrund und dem wesentlichem im Vordergrund; Musik. Eben allem, was der Mittelschichtler so erwartet vom öffentlich-rechtlichen Programmauftrag. So ein bisschen wie „Wetten dass... ?“. Nur für Menschen, die erst in 10 Jahren mal „Wetten dass...?“, gucken werden.
Alles gut, soweit. Ein bisschen heile Welt ist auch ganz nett, manchmal. Und wo soll die heile denn existieren, wenn nicht in der ARD? Das Problem an der ganzen Geschichte heißt Lena. Sie sah ich dann bei „Wetten dass... ?“. Selbstbewusst, eloquent, strebsam. Doppelname, inklusive. Jemand, den ältere (gerne auch „junggebliebene“) Menschen gerne als „keck“ oder „frech“ beschreiben würden. Eine Gymnasiastin. Eine junge Gymnasiastin. Es ist nicht ganz aufzuklären ob das kleine Nesthäkchen in ihrem auffällig billigen Video und dort auf der ZDF-Couch zu dieser Gymnasiastin gestylt wurde oder ob sie wirklich dieses Mädchen ist. Vermutlich ist sie es auch wenn die Kamera aus ist, The Ultimate Girl Next Door. Daran würde ich mich ja gar nichts stören, wenn da nicht eine Sache wäre; die Frau kann nicht singen.
Sie hat diese Castingshow nicht durch musikalische Qualität gewonnen. Sie verkauft nicht auf Grund ihrer Tanzausbildung jetzt erstmal massig Singles, um dann zu gucken ob es was wird, mit dem zweiten Album. Nein, der Grund für ihren akuten Erfolg ist ihr Image. Ein Image, dass eben genau das ist. Das freche, kecke oder junge. Lena Meyer-Landuth ist nicht von den zahlreichen Anrufern bei „Unser Star für Oslo“ gewählt worden, weil sie musikalische Qualitäten besitzt. Sonst hätte jemand gewonnen, den Xavier Naidoo nicht gelobt hätte. Sondern die18jährige Hannoveranerin darf nach Oslo, weil sie das Image von Qualität besitzt. Es ist das öffentlich-rechtlichen-Prinzip. Der Schein ist entscheidend. Deswegen werden wir in der Tagesschau auch nie spannende Bilder sehen, sondern immer nur Gerichtsgebäude von außen. Weil nichts so sehr mit Seriosität assoziiert wird wie Langeweile. Das muss die Seriosität gar nicht ausschließen, aber letztendlich entscheidend ist das Image von Seriosität.
Lena, wie wir sie ja auch nur nennen, ist genau das. Ein Image von Qualität. Von einem guten, gut behüteten Mädchen, die niemandem wehtut. Ein Image von einem Gegenpol zu Bohlens Ex-Knacki's und Frühschwangeren. Um Qualität zu suggerieren, reicht es aus, dass man anders ist als das, was augenscheinlich keine Qualität besitzt; Hass-Fernsehen.
Es geht also in beiden Sendeformaten um das Gleiche. Eine möglichst große Schnittmenge in der jeweiligen Zielgruppe zu finden. Hier, das Prekariat von RTL-Familiengericht, da die bürgerliche Tatort-Mittelschicht. Hier, Alexander Klaws (welchen ich übrigens letztens in einer dieser Telenovelas gesehen habe...), da Lena. Einfach Lena, ohne Nachnamen. Sie ist die popkulturelle Version von Angela Merkel. Nichts woran man sich reiben kann, nichts woran sich die Geister scheiden, nichts mit Gehalt. Genau das, was man in Deutschland scheinbar immer wieder sucht. Das Einende. Entweder im gemeinsamen Hassobjekt oder in der Unschuld der Jugend. Die Zeiten eines polarisierenden Guildo Horns sind lange vorbei, welcher mit seiner Glatzen-küssenden und Glocken-spielenden Selbstverballhornung noch einen lang nicht mehr erreichten 7. Platz einheimste.
Aber das oberflächlich, leicht Zugängliche Lena's muss in Oslo überhaupt kein Nachteil sein. Die dicken Olsen Brothers aus Dänemark konnten 2000 mit ihrer schlichten Häuslichkeit genauso punkten, wie 2006 die Finnen Lordi mit ihrer Suggestion von Hardrock. Wo ihr Auftritt im Grunde auch nur ein Image von Härte war. Slipknot mit Kinderschminke. Aber für das europäische Schlagerpublikum reichte es. Und was ist der Schlager, wenn nicht Suggestion einer heilen Welt. Somit wird eine fordere Platzierung an dieser Stelle auch gar nicht ausgeschlossen.
Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass sich Deutschland dort etwas erwachsener präsentiert.