Donnerstag, 19. Dezember 2013

2013 - Ein Kinojahr in Bildern

Max Frisch, dieser alte Rumtreiber, hatte wohl Recht, dass wir unser Leben früher oder später als Geschichte hinter uns her schleifen - und sie dementsprechend in Bildern erzählen. Womit der Film dem Leben einen Schritt voraus (oder hinterher) ist: Seine Bilder erwachsen vielleicht der Verklärung, sie sind aber, einmal in die Linse geworfen, vor dieser gefeit. Die Aura der Wiederholung (Sorry, Walter), sie hat ihr emotionales Zentrum nicht im Film und nicht im Akt. Der Kern des Großen Ganzen ist die Szene. In ihr erhebt sich alles sowie es zum erliegen kommt. Oder um es mit Howard Hawks zu sagen: "Ein guter Film ist drei gute Szenen und keine schlechte".

10) This is the End - Michael Cera auf Kokain
Ist dies der beste Cameo-Auftritt aller Zeiten, wie meine Freunde von indiewire.com behaupten. Äh.... ja! Oder in anderen Worten: sehr, sehr... sehr lustig.



9) The World's End - Twins
Billy Wilder hätte es geliebt. Ok, das Ende will vielleicht etwas viel. Aber hey, es ist Edgar Wright. Der darf seit Scott Pilgrim eh alles. Es ist Rosemund Pike, die darf seit Barneys Version alles. Und ansonsten ist es schlicht gute Comedy. Mit dem kleinen Nerdgrinsen, weil sie über Zwillinge reden und selbst welche im Spiegel sind. Weil das Timing stimmt, weil die Seitenhiebe auf Moralverlust, Ipod-Generation im Gesamtverlauf gleichsam charmant wie korrekt sind. Und, tja, weils 2 Stunden schön smooth zwischen die Ohren geht, an denen ein fettes Lächeln aufgehängt ist.


8) The Pervert's Guide To Ideology  - Rammstein
Ich hätte auch andere Szenen, Gedanken, Momente heraus nehmen können. Es ist natürlich wieder einmal nicht das reine Dozieren, sondern der Akzent, der Look, der Körper, der Gestus, der Schnitt, die Überlagerung von Komplexität und Banalität. Es macht einen heiden (Wortspiel, juhu!) Spaß und bringt unbelesene Vollpfosten wie meine Wenigkeit doch voran.


7) World War Z - Showdown
Es ist offiziell: Brad Pitt ist Jesus. Ach quatsch: Jesus ist Brad Pitt! Das Meer wie Moses teilen, die Cola locker im Anschlag, dem (ziemlich vital geratenen) Zombie tief in die Augen blicken, als wäre es das erste Mal. Lang, lang lebe das Mainstreamkino und seine Idee von Coolness (im Indie-flick nebenan geklaut), die es uns immer wieder in die Köpfe planzt. Dass der Film dabei mit grandiosem Soundtrack und toller Montage so manchen Moment in die Klischees legt, der gar spannende anthrophologische oder politische Fragen aufwirft (Israel-Palästina, anyone?), egal. Hauptsache Brad Pitt hats im Griff und Moritz Bleibtreu kommt den Mund irgendwann wieder zu.


6) Paradies: Hoffnung - 2 Mädchen im Bett 
Wer nur einen Seidl kennt, weiß was er (sich an)tut. Und doch, seine Paradies-Trilogie war einen Wimpernschlag anders als es, sagen wir, Hundstage war. Ein Film, den ich hasste wie keinen zweiten vor oder nach ihm (Wofür ich ihn natürlich geliebt habe und immer mehr liebe!). Und doch, Paradies war weich, warm, sein Blick unabwendbar. Und die Zentralperspektive plötzlich nicht mehr kalt und richtend, sondern unvoreingenommen und wach. Dass dieser dem Objekt dienende Ansatz des Zeigens im Kosmos Kino so fremdartig wirkt, zeigt doch vielleicht, wie was wir verlernt haben. Seidl zeigt uns - bei aller Verletzlichkeit, die das mit sich bringt - was wir vermissen. 


5) Only God Forgives - Time To Meet The Mother / Devil
Was habe ich mich über die Kritiken aufgeregt, die den Polizeichef, den lokalen Antagonisten zum Untitelgebenden Höllenfürsten ausriefen. Nein, die Mutter ist, was wir fürchten. Wir? Der Westen. Amerika. Wir? Das 3-Akt-Erzählen. Das Wertesystem einer Aufsteiger-Kultur. Die, bei denen das Gute triumphiert. Aber wir sind nicht das Gute! Der Däne Refn und das kanadische Sexsymbol Gosling demontieren sich selbst. Vielleicht gibt es in diesem (in meinem Kopf) immer besser werdenden Film Szenen, die das besser beschreiben, wie der Endkampf, der keiner ist, der eben nicht hollywood'schen Logik des Fallens und Wiederaufstehens folgt (http://www.youtube.com/watch?v=V42UhZsei6k). Aber nichts ist so verrückt, so intensiv, so böse wie dieses Schwiegermutter-Interview. Wir sind die Bösen. Sie hat es uns in die Wiege gelegt. Wir haben es mit der Muttermilch aufgesogen und sind nichts weiter als hilflose Sozialattrappen auf diesem gottverlassenen Planeten. Und für Drehbuchfreunde wie mich: Sie sagt auch beim zweitem Mal "May", dieses grandiose Miststück.




4) Gravity - Die Einsamkeit
Wann immer die klugen Filmemacher dieser Welt ins All gehen, drehen sie ihre Kamera und blicken auf die Erde. Aus großer Entfernung entsteht immer auch große Nähe. Frage: War (dabei) ein Film schon mal existenzieller? War ein Symbol schon mal grundlegender? Haben wir sowas schon mal gesehen? Letzteres kann ich beantworten: Nein, haben wir nicht. Und in den nächsten 10 Jahren werden sich Leute an Filmschulen von Peking bis Buenos Aires an diesem Film abarbeiten. Allein deshalb sollten man ihn (mehrfach) gesehen haben.   



3) Frances Ha - Paris
Was war ich stolz, als der große Noah Baumbach und die große Greta Gerwig sich eine Sequenz ausgedacht haben, die im Kern exakt einer Szene glich, die ich zur Zeit des Kinostarts in München und Internet zum Besten gab (Centre Pompidou). Paris - als Fata Morgana in der Wüste Selbstfindung. Was haben wir in der Großstadt nicht alles verlernt? Und mit was hat sie uns nicht beschenkt? Mit Leidenschaft, mit Wille und Hoffnung. Doch alles was zu helfen scheint, ist diese Pseudo-Erleuchtung namens Eiffelturm. Stürzen wir uns hinunter in die Seine - dann ist der Blick darauf, wo wir hingehören wieder klar. 




2) Spring Break - Britneys "Everytime"
Diese Szene - zeigt alles was Kino kann und was Kino will. Sie lebt, atmet und trieft nach den Grenzüberschreitungen der Kunst. Dieser Film dreht alles durch den großen Joint Popkultur. Anti-subversiv, natürlich im Affekt und so lässig in all seiner Brutalität. Diese Szene ist Rausch - wie sie nur alle paar Jahre einem vor die Augen tritt. Ein Freund von mir benannte mal die Stärke von Harmony Korines Filmen damit, dass "sie vollkommen wertfrei sind". Diese Minuten sind Korines Everest. Tut damit was ihr wollt, ich serviere. Hat das mit uns, unserer Generation, unserem Leben zu tun? Aber Hallo! Schaut in euch und was seht ihr? Britney, Guns & a "fucking sensitive side". It's Spring Break, bitches!
Ich kann es nicht auf der Seite einbetten, also so:  http://www.youtube.com/watch?v=kD8hbg67u5c


1) La Vie D'Adele - Party
Das Aufgehen, wie es die deutsche Sprache so schön benennt, also der Kratzer, den der Moment in uns treibt und dieser süßsaure Prozess des Wiederzusammenwachsens. Diese Frau, zwischen Menschen, ganz bei sich. Die junge Frau und das Meer. Der Pop. Die Bewegung. Das Hier. Das Jetzt. Dieser 3-Stundenfilm ist eine Goldgräber-Stadt, auf Suche nach dem Riss in sich: Beim Essen, Reden, Ficken, Weinen - Tanzen! Eine Essenz meiner Welt zwischen Auswärtsspielen, Alkohol und Menschen mit dicken Brillengläsern. Es war ein gutes Jahr.  



Lobende Erwähnung sollten außerdem erhalten: Die Katze in der New Yorker U-Bahn in Inside Llewyn Davis; die Eröffnungparty in La Grande Ballezza; die Hochzeit in About Time, der abschließende Zusammenbruch Tom Hanks in Captain Philips, die Foxconn-Sequenz in A Touch of Sin; der Hitler-Mickey-Mouse vergleich als auch Sandra Hüllers Österreichweisheiten in Finsterworld; die Eröffnung von Feuchtgebiete; die (1.) Predigt Javier Bardems in To The Wonder; die betrunkene Allison Janney in The Way Way Back; die Eröffnung von Pacific Rim; das letzte Rennen in Rush; der finale Twist in Side Effects, der Mandarin-Kniff in Iron Man 3; das Mutter/Schwiegertochter-Gespräch in Mutter und Sohn; der letzte Besuch beim Pfarrer in Mea Culpa Maxima; der Ritt auf der Rasierklinge in The Place Beyond The Pines; das Backstreet-Finale in This Is The End; Rob Loewes Schönheitstipps in Behind The Candelabra; die Promo-Tour in The Hunger Games II; die anfängliche Einsamkeit Jack Gyllenhaals in Prisoners; die China-Zukunftsversion in Cloud Atlas; Nicole Kidmans Welthass in Stoker; der verseuchte Tümpel in The East; die Gerichtsverhandlung in The Bling Ring; Steve Carell und der Groupie in The Incredible Burt Wonderstone; die Pfannkuchenschlacht in 00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse; das Wiedersehen in The Great Gatsby.    

U.a. (noch) nicht gesehen: The Counselor, Ain't Them Bodies Saints, Oldboy, The Fifth Estate, Zwei Leben, The Act Of Killing, The Lone Ranger, Enough Said, Jung und Schön, The Butler, Touchy Feely, Der Schaum der Tage, usw.  

Und nun nach 2014: Wo Scorsese bereits den den besten Trailer aller Zeiten hinterlegt hat und Jennifer Lawrence schon wieder alles raushaut... Here we go!

Dienstag, 17. Dezember 2013

Call Of Duty

Eine Weihnachtsgeschichte

Der Streit bricht dieses Jahr bereits vor dem Mittagessen aus. Manuela zerschlägt eine Kugel des Christbaumschmucks, was Mutter seufzend kommentiert. Dass sie diese Arbeit ja gar nicht machen müsse, verteidigt sich Manuela, und wo eigentlich Anja sei, die doch helfen wolle. Worauf Mutter sich beklagt, dass alle diese „Familientradition“, als Arbeit empfinden würden. Was Manuela ein wenig zum Weinen bringt. Sie ruft „Druck“ und „Nachteil“ und hadert mit ihrer Rolle als der Ältesten, was im Ausruf „Ich bin nicht alle“ seinen Höhepunkt findet. Nachdem Mutter ihre Entbehrungen für diese Familie aufgezählt hat, knallt eine Tür und ich kann mir dem Eindruck nicht verwehren, dass es auch bei diesem Streit unterschwellig darum geht, dass meine Eltern sie tatsächlich Manuela genannt haben.
Komm mal mit“, sagt meiner Vater und schleift mich mit rudernden Bewegungen hinter sich her.
Och nö“, sage ich und folge ihm.
Doch. Ich will dir was zeigen“, sagt er und macht das Kellerlicht an.
Sag nicht, du hast jetzt 'ne Modelleisenbahn.“
Vater rudert weiter und schlurft die Treppen hinunter. Noch bevor ich durch die Tür seines Arbeitszimmers bin, höre ich das Zischen einer geöffneten Getränkedose. „Da!“, sagt Vater und wartet auf Lob.
Ok. Äh... Ok.“, sage ich und die Pupillen meines Vaters weichen zurück. Ein Bier in der Hand sehe ich mich um. Ein Stapel Sport Bild liegt neben einem Sessel mit dunkelblauem Baumwollüberzug. Die Lehnen sind ausgefranst und zwei aufgerissene Nähte bringen gelben Kunststoff zum Vorschein. Davor steht eine Apparatur aus Mini-Flatscreen, Mini-Boxen und Mini-Bar, davor eine Spielekonsole und Plastikhüllen mit Gewehrläufen, Gasmasken und Nachtsichtgeräten darauf.
Prost!“, ruft Vater, nickt zufrieden und wischt sich die Feuchtigkeit aus dem Mundwinkel.
Prost“, sage ich und kann nicht an mich halten: „Kannst du dir keinen Porsche kaufen, wie die anderen Kinder auch?“
Ach quatsch“, ist Vater trotzig wie so oft in den letzten Jahren: „Ist doch total cool, hier“ und in seiner Betonung des Wortes Cool steckt die ganze Verzweiflung seiner Lebensphase.
Und wenn Mutter dir das Taschengeld kürzt, verziehst du dich hier runter?!“
Oder wenn der FC spielt“, antwortet er, deutet auf dem Pay-TV-Receiver und wir trinken beide: „Hättest du doch bestimmt auch gerne.“
Ich hab nicht mal einen Fernseher, Papa.“
Ja, stimmt“, wird Vater nachdenklich: „Na ja“, sagt er, trinkt noch einen Schluck, stellt die halbvolle Dose in zurück und geht nach oben. Es hatte geklingelt.

Frida stürzt herein. „Bruderherz“, fällt sie mir um den Hals und küsst mich ab. „Ist das ein Knutschfleck?“, fragt sie und tippt auf meiner Brandnarbe am Hals herum, als wäre sie ein Reset-Knopf. Sie macht diesen Witz jedes Mal und ich finde ihn immer noch nicht gut. Sie ist noch dünner als letztes Jahr. Anja rennt über den Flur und fällt Frida um den Hals. Unvermittelt will sie ihre Meinung nach einer bestimmten Website wissen. Vom ganzen Krach angelockt, kommt Manuela die Treppe hinunter. Sie grüßt, während sie das Geländer fest im Griff hat. Frida macht keine Anstalten, den dicken Wintermantel auszuziehen. „Hallo“, ruft nun Mutter mit Anstrengung auf der Zunge und steckt die Hände in die Hüfte. „Und, freut ihr euch schon?“, ist das erste, was sie fragt. Wir nicken höflich.

Nach der Messe haben wir alle unser bestes Elternsprechtag-Grinsen auf und schütteln Hände. „Guck mal, die Junge von den Gilberts ist wieder schwanger.“, flüstert Frida.
Ja, der Vater ist, glaub' ich, in Afghanistan.“, nicke ich.
Anja, pack dein Handy weg. Es ist heiliger Abend“, fordert Mama. Ihr Wisch durch ihre Strähnen verrät ihre Sorge, dass man uns zuhört.
Was hat das damit zu tun? Sind Handys an Weihnachten verboten?“, fragt Anja, wie ich finde, nicht zu unrecht.
Heute ist Familie, morgen kannst du wieder mit deinen Freunden schreiben“, springt Manuela ein. Ihre Kette hat einmal Oma gehört.
Komm, lass uns gehen“, sagt Frida und hackt sich bei mir ein. Wir schlittern nach Hause und treiben Anja vor uns her. Manchmal lacht sie übertrieben laut über etwas in ihrem Display. Aber als wir sie auch beim dritten Versuch nicht fragen, was denn so lustig sei, lässt sie enttäuscht davon ab.
Wie geht’s denn Björn?“, fragt mich Frida.
Weiß ich nicht.“
Wie, du weißt es nicht?“
Ich weiß es nicht.“
Frida überlegt: „Ach komm, nicht wirklich. Schon wieder?“
Schon wieder... “, sage ich und bin mir meiner Schuld bewusst. Der Schnee knarzt unter meinen Schuhen, als würden wir über einen Speicher gehen, der lange nicht mehr betreten wurde.
Wie lange ging es diesmal? 3 Monate? Du musst dein Leben in den Griff kriegen, Mann!“, sagt Frida und boxt mir in die Seite: „Erzählst du Mama und Papa davon?“
Die wissen alles, was sie wissen müssen.“
Willst du sie nicht teilhaben lassen?“
Nein. Ich will nicht nochmal von Papa so angeschaut werden. Ich bin nicht hier, um mich … mitzuteilen.“
Warum sollte wir denn sonst nach Hause kommen?“, fragt Frida. Sie klingt nicht wie jemand, der von seinen eigenen Worten überzeugt ist.
Weiß nicht. Weil es …“
Frida kratzt sich die Nase: „Vielleicht...“
Weil es noch falscher wäre nicht zu kommen“, werfe ich hinterher.
Wärst du denn heute gerne woanders?“
Nein. Aber deswegen muss es mir noch lange nicht gefallen.“ Frida grinst. Ich fahre fort: „Ich muss mich nicht öffnen. Ich bin von hier weg, um mich nicht mehr öffnen zu müssen. “
Du hast ihn nur erschreckt. Welcher Vater nimmt so was einfach auf. Meinst du nicht, es würde sie freuen, für dich da zu sein?“
Sagt meine kleine Schwester, die sich seit Jahren zu Hause nicht traut, ihre Stulpen vom Handgelenk zu nehmen.“
Arsch“ zischt Frida, zieht ihren Arm aus meinem und boxt mich erneut in die Seite. Diesmal tut es weh.

Zur Bescherung läuft Schuberts Ave Maria – weil das schon immer so war. Die Freude über die Geschenke ist von jener Begeisterung dominiert, genau das zu bekommen, was man dem anderen aufgetragen hat, zu besorgen. Niemand weint, es ist ein gutes Jahr.

Zur Suppe gibt es, wie immer, Weißwein, zur Ente, wie immer, Rotwein und zum Eis Obstler, wie immer. Es läuft immer noch Schubert aber er wird mit jedem Glas weniger nervig. Etwa zwischen dem ersten und zweiten Stück Ente ist es Zeit für die Bestandsaufnahme. Manuela berichtet von ihrem Kollegen, der vielleicht etwas wäre. Sie ist befördert worden, ihre Katze war beim Arzt und ihre neue Wohnung sei auch sehr gemütlich mit dem neuen Teppich. Ich wünsche ihr, dass sie irgendwann akzeptiert, dass die Rolle der Ältesten genau richtig für sie ist. Anja erzählt von ihrer verbesserten Deutschnote und von Mirko, der offensichtlich ein Arschloch ist.
Soll ich ihn verprügeln?“ frage ich. Anja nickt.
Frida kratzt sich am Ohr und stottert Worte wie „Relaunch“ und „Projektkoordination“, und das mit diesem Lächeln, das ihr schon so viele Türen geöffnet und so viele Probleme gemacht hat.
Ich freue mich, dass es meinen Kindern so gut geht“, ruft Mutter, und stemmt die Hände in die Hüfte.
Unseren Kindern“, sagt Vater und grinst.
Unseren Kindern, jaja.“. Sie stoßen an und mir wird bewusst, wie lange ich nicht mehr hier war.
Mein Blick fällt auf Fridas Handgelenk, das sie sich kratzt. Ich mache mit und kratzte mich spiegelverkehrt. Frida sieht das und kann zu meinen Glück darüber lachen. Anja fällt die Gabel auf den Boden, wofür sie von Manuela einen bösen Blick erhält. Ich knöpfe mein Hemd auf.

Weit nach Mitternacht, die Damen sind längst im Bett, sitzen Vater und ich im Keller und spielen Krieg. Er sagt „zocken“ dazu und selbst das ist mir zu dieser Uhrzeit egal. Als der Ladebalken eines neuen Levels blinkt, frage ich: „Wie geht’s denn dir?“, und merke, dass ich diese Frage beim letzten Mal hier unten hätte stellen sollen.
Vater knurrt und bricht auf der Flanke mit seinem Panzer durch. „Du musst auf den Radar gucken, wenn du unter Beschuss genommen wirst“. Ich falle und lasse den Controller in meinen Schoss sinken. Vater beendet das Level. Ich schaue ihm dabei zu.
Uns geht’s gut“, sagt er unvermittelt, ohne vom Bildschirm aufzublicken: „Es war ein ruhiges Jahr.“
Das mag wohl sein“, sage ich.
Doch. Ich finde uns geht’s gut.“
Ok.“, nimmt meine Stimme eine Abwehrhaltung ein: „Findest du nicht, dass wir uns zu wenig kennen?“ Ich bin überrascht, wie intuitiv ich die Frage stelle.
Geht“, sagt er und schnieft: „Versteh mich nicht falsch, mich interessiert was ihr treibt. Aber ich finde das zu viel verlangt. Familien müssen sich nicht verstehen oder kennen. Familie muss nur da sein. Keine Ahnung, es ist Weihnachten, alle sind ganz zufrieden, alle sind gesund. Findest du nicht?“
Was finde ich nicht?“,
Gehts uns nicht gut? Die Ente heute, die war doch gut.“
Ich denke an Manuela und ihre Halskette, an Frida und ihre Stulpen, an Mama und ihre Schürze.
Vielleicht“, sage ich und folge Vater in ein Sumpfgebiet.