Donnerstag, 16. Dezember 2010

Kein Tomatensaft!

Über Billigfliegen und den Wert des Weges – Ein Vergleich


Zeit ist eine opportunistische Hure. Besonders Morgens. Und ganz besonders früh Morgens. Es ist noch keine 6 Uhr, da kommen einem auf der Einstiegstreppe Menschen entgegen gefallen, die auf dem Weg zur Arbeit scheinen. Spontane Bewunderung: es ist so früh, so dunkel, so kalt.

Im Zug ist es wärmer. Stadtauswärts ist das Abteil nun leer und es gleitet sich in den Tag. Ein Eistee, eine Brezel, eine Zeitung und der Blick auf die verschneite, vormünchnerische Peripherie, hinter der sich erste Sonnenbögen abzeichnen, helfen. Die Richtung heißt Memmingen, Allgäu Airport. Das Ziel heißt Andalusien. Ich bin auf dem Weg.


Zug


Irgendwo hinter Geltendorf tritt der Schaffner durch die Schiebetür. Es stellt sich – zu meiner Überraschung heraus, dass mein gelöstes Tagesticket erst ab 9Uhr gilt. Demnach fahre ich schwarz und darf nochmals 40€ löhnen, den doppelten Fahrpreis also. Wenig später füllt sich der Zug mit Schülern auf dem Weg zum Frontalunterricht. Manche vergleichen Hausaufgaben, andere nutzen mein Gegenübersitzen als Ausrede, sich zu sechst in eine Sitzecke zu quetschen. Mit den Mädchen in der Mitte, selbstredend. Zwei Unterstufler in ihrem Rücken interessieren sich indes nicht für solche Formen des Paarungsverhaltens. Der eine ist in ein Mathebuch vertieft, der andere hat sich das 11. Physik-Kapitel vorgenommen. Beide tragen Brillen. Im Grunde ist die Welt in diesem Abteil in Ordnung.

Im Flugzeug gibt es keine Platznummern. Jeder sitzt, wo er kann. Ein kleines bisschen Fressen und Gefressen werden. Die Stewardessen sind alle weder blond, noch sonderlich schlank. Sie sprechen kein gutes Englisch. Was noch mehr ins Gewicht fällt, da alle 15 Minuten neue Ansagen durch die knarzenden Lautsprecher trompetet werden. Die Karte mit den obligatorischen Anweisungen für den Ernstfall ist auf den Rücken des Vordersitzes geschweißt. Man hat sie immer im Blick. Essen gibt es nur gegen Bares. Der Cheeseburger kostet 7€. Tomatensaft ist gar nicht erst im Angebot. Aber man kann Lose kaufen. Für bedürftige Kinder, heißt es. Nach der Landung ertönt ein Jingle. Eine männliche Stimme verkündet – nun in besserem Englisch vom Band – dass man pünktlich gelandet sei. Ryanair sei mit über 90% die pünktlichste Fluggesellschaft Europas.

Wenn man mit solch einem Billigflieger reist, wird einem ziemlich schnell bewusst, um was es dabei geht: den reinen Transport. In einer Ryanair-Maschine zu sitzen, bedeutet, alles was das Unterwegssein zum Selbstzweck machen könnte, zu vernachlässigen. Stattdessen unterstellt man sich dem Credo der Effektivität, des Nutzes, der Ökonomie, der Zeitersparnis. Man zahlt dabei weniger mit Geld, als mehr mit der Gefühl, das man andererorts gerne „Reisen“ nennt. Der Weg ist nicht das Ziel.


Auto


Bis Malaga sind es ungefähr 2500 Kilometer. Wenn man entlang der Atlantikküste fährt und erst bei San Sebastian die Grenze überquert, ein paar mehr. Dafür spart man sich eine nicht unbeachtliche Summe Mautgebühren um Lyon, sowie zwischen Barcelona und Valencia. Doch ums Sparen geht es auf diesem Weg nicht. Dann hatte man auch fliegen können.

Das französische Tempolimit verleitet zu einer entspannten Fahrt. Es summt sich staufrei dahin. Die Musik aus unzähligen Mix-Tapes wabert durch den Wagen. Alles Songs werden ausgespielt. Keine Hektik. Kein neurotischer Glücksoptimierungsversuch des ewigen Weiter-Drückens auf der CD. Das Stade De France und ganz Paris lässt man links liegen und steuert Bordeaux entgegen – eine wunderbare Stadt. Wie da die Stadtmauern sich vor dem Fluss Garonne auftürmen, man über die Pont de Pierre fast unmerklich in die inneren Kreis der Universitätsstadt geleitet wird, um anschließend vor dem Grand Theatre zu stehen. Schönheit! Dort wo die futuristische Straßen-Bahn den klassischen, prunkvollen Vorplatz kontrapunktiert ohne aufzufallen. Wo Gassen im Schatten und Parkhäuser unter Parks liegen – und nicht daneben.

Durch die kleine Plexiglass-Scheibe im Flieger ist davon nicht viel zu sehen. Punkte und Striche sollen Städte sein und das Meer – ein großer, blauer Fleck. Das Gefühl von Raum und Entfernung geht verloren.

Ein Flug nach Malaga ist eine horizontale Fahrstuhlfahrt. 3 Stunden lang – ohne Musik. Man merkt zwar, dass man sich bewegt, aber weder wohin, noch wie schnell. In einen radikal-funktionalen Raum gezwängt. Dadurch das Billigfliegen bereits seinem Namen nach für jeden jederzeit erschwinglich ist, und somit die einstige Illusion einer Unerreichbarkeit widerlegt wird, verliert sie dadurch ihre Faszination. Wenn es möglich ist, jederzeit, überall sein zu können, ist es keine Besonderheit mehr. Für den Flug bis an die Grenze Europas ist das Hinkommen kein eigenständiger Wert. Nur ein Weg unter vielen. Nur Punkte und Striche. Die seltsamen Frisuren der Angestellten an den Péage-Stellen bleiben genauso verborgen, wie die Städte und Dörfer auf der Strecke. Das befriedigende Gefühl der Ankunft, weicht einem erschöpften Empfinden der Ödnis. Die Erfahrung in Madrid – ohne Navi – Auto zu fahren wird nicht gemacht. Das Abenteuer in Spanien zu Tanken wird nicht durchgestanden. Der Weg ist nicht das Ziel.

Auf festem Boden. Kurz vor Bilbao tut sich das Meer auf, wie es aus 8000 Metern Höhe vor lauter Blau nicht zu erkennen ist. Der Hafen zuckt über den Rand des Armaturenbretts. Die Sonne scheint. Dann knickt die Autobahn Richtung Festland ab. Wenige Stunden später wird die iberische Halbinsel von Madrid wie mit dem Lineal gespalten. Ästhetisch teilt die spanische Hauptstadt das Land in zwei völlig verschiedene Hälften. Zunächst noch grünlich-fruchtbar, entwickelt das steinige Flachland auf dem Weg in Richtung Meerenge von Gibraltar eine rustikale Schönheit, wie man sie sonst vielleicht nur auf Sardinien findet. Letzte Grasbüschel sprenkeln eine rot glühende Felswüste, während der Horizont nicht weiß, welchen Blauton er dazu anziehen soll. Das ganze Land liegt in der Hitze, einen letzten, elementar-lebendigen Schritt vor der Dürre. Die Serpentinen schlängeln sich immer steilere Abhänge empor, die Fahrspuren werden gleichzeitig immer dünner und die Zäune immer kleiner. Die Straßenschilder beginnen arabisch zu sprechen.


Flugzeug


Auf dem Flughafen von Malaga sind die Schilder auf Deutsch und Englisch. Große Flughäfen sehen auf der ganzen Welt gleich aus: steril. Lange, langsame Laufbänder führen die rundum verglasten Korridore entlang. Ehe man die Halle mit nie enden wollenden Gepäckbändern erreicht. Die taxi-Schlage ist nicht minder kurz.

Eine 20minütige Busfahrt später steht man am Strand. 25Grad sind es. In München liegt derweil Schnee. Ein Einheimischer wird einen Abend später bei Bier und Tapas erzählen, dass er gerne in Deutschland arbeiten würde, aber ihn das Wetter abschreckt. Danach unterhält man sich über die Dinge, über die sich Deutsche und Spanier unterhalten – Fußball und Weltkriege. Die Zeit verfliegt.

Zeit, die man auf dem Flug hierher gespart hat. Doch Sparen ist ein irreführender Begriff. Er suggeriert die Möglichkeit eines Erfolgs, eines Gewinns. Aber wieviel Zeit spart man wirklich, wenn die wegfallenden Auto-Stunden voller Musik und Moment, durch eine kürze und auch billigere Anreise ersetzt werden, die aber keine eigenen Qualitäten bieten? Als ob das Leben im engen Flieger für drei Stunden aussetzen und auf dem Rollfeld wieder anlaufen würde. Die Zugfahrten vom und zum Landflughafen, das ewige Warten zwischen Check-In und Boarding und die Fahrt vom Flughafen in die Stadt, sind dabei nicht mal mit eingerechnet.


Es gibt einen großen Unterschied zwischen Allein sein und Einsamkeit. Im Auto ist man allein, mit sich und seinen Mix-Tapes. Im Flieger sitzt man „Im Niemandsland derer, die Leben eintauschen für Zeit“. So wie es bei der Hamburger Indie-Band Kettcar heißt. Doch Musik und Billigflieger sind auch auf dem Rückweg keine gute Kombination. Die permanenten Durchsagen und die gröllenden Mitreisenden machen das unmöglich. Zudem muss der Ipod während der Start- und Landephase eh ausgeschaltet werden.

Ich sitze neben einer Dame mit Flugangst. Sie klammert sich an ein Promiblättchen, ihr Mann versucht zu schlafen. Vor mir sitzt eine fünfköpfige Gruppe Junggesellen aus Lateinamerika. Einer trägt einen Loony Tuns-Pullover. Ein anderer hat sich seine Kamera an dünnen Lederbändern quer über den Wohlstandsbauch gezogen. Noch einer hat ein Kartenspiel in der Hand, welches er den gesamten Flug über mischt. Alle denen noch Haare wachsen, haben sich diese mit viel Gel in den Nacken gelegt. Ich versuche zu lesen – es misslingt. Schlafen fällt schwer, so wie in diesen engen Sitzen einem die Knie ans Kinn getackert sind.

Nach drei Stunden landet die Maschine im verschneiten Memmingen. Jingle. „Eine weitere pünktliche Landung mit Ryanair, der pünktlichsten Fluggesellschaft Europas.“ Aber wer will schon pünktlich sein.

Montag, 4. Oktober 2010

C'est la vie, la bourgeoisie

„Ich mag Frauen, die langweilige Bücher lesen“, behauptete er und wollte seine Worte sogleich zurück. Wie eine betrunkene SMS waren sie ihm heraus gerutscht. Nur mit dem Unterschied, dass er in diesem Moment nicht unter Alkoholeinfluss stand. Im Gegenteil; es war die Coolness, das aufgesetzt Lässige, was ihn anzog. Im Starbucks muss man nicht „man selbst“ sein. Man kann sich ehrlich und aufrichtig seiner affektierten, eitlen und aufgesetzten Seite hingeben. Ist man doch sonst zur nervigen Selbstfindung gezwungen. Ein wahrlich befreiendes Gefühl. Ein Gefühl, welches jeden überteuerten Kaffeepreis wert ist. Mehr noch: was jenes Gefühl überhaupt erst ermöglicht. Selbst wenn er eigentlich immer nur Kakao mit Sahne bestellte.


Doch das alles nütze ihm in diesem Moment nichts. Seine an das hübsche Mädchen gerichteten Worte standen nun im nach olivgrünen Sofas und braunen Sesseln riechenden Raum. Das Mädel guckte freundlich verstört. So wie man in dieser Stadt nun mal häufig guckt, wenn auch häufig ohne Anlass. Aber ihr Blick offenbarte eher ein akustisches Problem und keine Verständnislosigkeit über seinen jämmerlichen Versuch ein Gespräch mit einem Kompliment oder etwas derartigen zu beginnen. Alles war noch einmal gut gegangen.


„Ich mag Frauen, die langweilige Bücher lesen“, wiederholte er und wollte erneut seine Worte sogleich zurück haben. Was war mit ihm los?

Der Vorteil an betrunkenen SMS ist der, dass man sich erst am nächsten Morgen mit ihnen rumschlagen muss. Wenn der Körper eh nichts von einem will, außer etwas Ruhe, amerikanischer Filme und jeder Menge Wasser. Wenn der Tag eh verloren ist. „Deutsche Filme kann man nicht betrunken gucken. Könnte man deutsche Filme betrunken gucken, wären sie erfolgreicher“, dachte er bei sich, ehe ihn ihr Blick zurück in die Wirklichkeit zog.

Ihr Blick war voller Unverständnis. Sie nahm das Reclamheft in beide Hände und presste es schützend an sich. Sie trug keinen Ausschnitt. Zu Zeiten des Oktoberfestes hatte das durchaus seinen Reiz, war aber nicht der Grund für sein Handeln.

„Nein!“, entgegnete sie.

„Nein?“

„Einfach Nein.“

„Nein zu was?“

„Nein zur Langeweile.“, grinste sie und knallte das Buch auf den Tisch, als ob sie vergessen hätte im Starbucks zu sitzen. Niemand schaute auf. „Effi ist nicht langweilig. Effi ist toll.“Effi ist eine Heldin!“

Er guckte herausfordert: „Für wen? Für dich?“

„Ja“, sagte sie so vorlaut und selbstverständlich wie eine fünfjährige, die Paula heißt und keine Angst vor dem Nachbarshund hat. Er hatte sich verliebt.

„Und Crampas?“, fragte er ohne wirklich zu wissen, was die Frage eigentlich sollte. Irgendwie wollte er wohl zu Verständnis geben, dass er jenes Buch gelesen hatte. Was ihm bei näherer Betrachtung noch dämlicher vor kam, als sein anfänglicher Versuch diese Konversation einzuleiten. Schließlich garantierte die Frage nach einer Roman- oder Dramenfigur noch lange nicht die Kenntnis des Stoffes, in dem diese aufzufinden war. Folglich ergänzte er seine Frage: „Wie weit hatte er sie denn nun – in der Kutsche?“. Ein Ansatz von Eloquenz war ihm da geglückt und er gewann sich ein Lächeln ab.

„Die haben es wild getrieben – in der Kutsche, die zwei. Jetzt weiß ich aber auch, warum du das Buch nicht spannend findest. Die fehlt da was.“ Er hatte sich verliebt.

„Wo fehlt mir was?“, fragte er sich und gab die Frage weiter.

„Du hast da nichts, wo etwas sein muss, um das zu verstehen.“

Er guckte verstört. So wie man in dieser Stadt nun mal häufig guckt.

„Es geht nicht ums Verstehen.", fuhr sie fort: "Es geht ums Fühlen. Du bist ein Mann. Du bist ein Augentier. Du tanzt nicht!“

„Wer tanzt denn bitte in dieser Stadt? In dieser Stadt wird nicht getanzt, hier wird performt.“

Von dieser Bemerkung musste sie lachen. Sie verstand. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, hörte aber nicht auf zu kichern. Wenige Menschen schauten kurz auf. Frauen müssen nicht witzig sein, sie müssen nur an den richtigen Stellen lachen. Die Besten können aber beides, malte er sich aus und hatte sich erneut verliebt.


Liebe ist in den Grundzügen ihrer Existenz unvollständig. Nur dann kann sie romantisch sein. Romantik ist das Gegenteil von Perfektion. Deshalb steht die Romantik auch dem Tod so nah. Die Vergangenheit, die Erinnerung überdauert immer die Gegenwart. Romeo und Julia müssen sterben, sonst merken sie bald, dass sie sich nichts zu sagen haben, vergessen gegenseitig ihre Geburtstage und schlafen mit ihren Geschwistern – weil es sonst langweilig werden würde. Die Familien bekriegen sich ja nicht mehr.


Er verabschiedete sich. Von dem Converse-Ordner, dem MacBook, dem United-Nations-Kugelschreiber, der Bench-Jacke, ihrem selbstgestrickten Schal, ihren mittellangen, braunen Haaren und ihrer zierlichen Lehramtsbrille. Sie hinderte ihn nicht zu gehen. Ein Tatbestand, den sie Abends im Bett noch bereute.

Er trat auf den Odeonsplatz hinaus, ging an dem Café vorbei, wo sie sich beim Reden nicht angucken. Stattdessen sitzen sie parallel nebeneinander, beäugen das Gewusel des Platzes und hoffen so selbst Beachtung zu erfahren. Ein jämmerliches Bild ist das.

Von dort stieg er zusammen mit einer grauen H&M-Masse in die U-Bahn und dachte nicht an zu Hause. Am Stiglemeierplatz stieg er die Rolltreppe links hinauf, während ihm die Menschen rechts aufgereiht Platz machten. „Das vielleicht eindeutigste Zeichen für eine Weltstadt, ist das Rolltreppen Verhalten ihrer Bewohner“, dachte er etwas stolz. Er ging ins Theater, sah einen russischen Autor zu , wie er dort zur Schmierenkomödie herunter gestutzt wurde und anschließend schwärmte ein Regiestudent davon, wie gut doch der Raum genutzt worden war. Was er äußerlich nickend entgegen nahm, während er innerlich nicht wusste, ob er lachen oder weinen sollte.

Schließlich ging er nach Hause. Am nächsten Morgen gelangte er von dort in die Uni und blieb für ein paar Jahre, lass jede Menge dicke Bücher und sah unzählige, schlechte Inszenierungen davon, traf das hübsche Mädchen nie mehr wieder, trank jede Menge überteuerten Kakao mit Sahne und schrieb betrunkene SMS. Er verliebte sich unzählige Male.

Dienstag, 21. September 2010

Sarrazin ist immer als Letzter gewählt worden

Eine Gegenpolemik mit Anspruch auf Diskurs.


Thilo Sarrazin hat gewonnen. Dieser Satz steht hier am Anfang und wird am Ende stehen. Die Erklärung für meine Behauptung möchte ich dazwischen legen.


Dafür ist es nötig zu verstehen, was der Begriff Agenda-Setting bedeutet. Letztendlich sammelt der Ausdruck alle Prozesse und Entwicklungen in sich, die an der Mitbestimmung und der Festlegung der behandelten Themen in einer Öffentlichkeit beteiligt sind. Agenda-Setting ist die Tagesordnung und somit auch der Kampf um jene. Denn das etablieren eines Themas, eines "Diskurses" wie es so oft genannt wird, ist ein politisches Instrument. Eines, das für sich steht, Macht besitzt. Es gibt gerade in der Medienwissenschaft, die natürgemäß ihrem eigenen Forschungsobjekt eine potente Stellung zuweist, einige Ansätze, die Agenda-Setting als wirkungsvollstes, wenn nicht gar einzig wirkungsvolles, politisches Instrument betrachten.


Es ist nur zu erahnen, aber meiner Vermutung nach, liegt ein wesentlicher Grund dafür in der immer kürzer werdenden Taktung und Dauer von politischen Kommunikationsmomenten. Auf deutsch: vor ca. 30 Jahren sprach ein Politiker zu einem Thema in der Tagesschau im Schnitt 30 Sekunden. Heute sind es etwa 8 Sekunden. Natürlich wird in 8 Sekunden deutlich weniger erzählt, als in fast 4mal so langer Zeit. Der Politiker, ob er nun will oder nicht, bewegt sich dabei also in einem Prozess, der ihm nicht die Zeit gibt, die er benötigt, um das zu tun, was er theoretisch immer tun will; argumentieren. Stattdessen wird nicht erwähnt, bzw. nicht in den Beitrag geschnitten, warum etwas richtig oder falsch ist, sondern nur noch erklärt, dass es so sei. Um dieser Problematik vorzubeugen, behilft sich der mediale Akteur eines Kniffs: er benutzt Schlagworte. Ausdrücke, die für sich stehen. Nicht Themen-bezogene Vokabeln, die dem Publikum intuitiv mitteilen, was richtig und was falsch ist. Regierungsmitglieder nennen„Zukunft“, „Aufschwung“, „Stabilität“, „Sicherheit“ oder „Freiheit (in den USA kommt noch „Gott“ dazu), die Opposition kontert mit „Frechheit“, „Verfassungswidrig“ „Klientelpolitik“ oder auch einfach „Krise“. Natürlich sind das keine heiligen Grale, die ich hier aufliste, aber diese Tendenzen im politischen Diskus sind unverkennbar.


Ein Diskurs, der einen Protokoll-artigen Zustand erreicht hat. Auf jedes Schlagwort, fällt der fällige Gegenbegriff. Auf jedes „Terrorgefahr“ folgt ein „Bürgerrechte“. Führt man diese Logik weiter, wird der entscheidende Punkt meiner Argumentation deutlich: der heutige politische Diskurs ist kein Prozess im klassisches Sinne, also mit einem Anfang und einem unbekannten, offenen Ende, sondern eine Wiederholung. Der heutige politische Diskurs, also die mediale Darstellung von konträren Positionen und Ideen ist durchgespielt, abgesprochen, wiedererkennbar. Es ist vorher bekannt, wer welches Gesetz befürworten oder ablehnen wird, wer zufrieden und wer beschämt ist. Es ist das immer gleiche Theaterstück. Der gleiche Text in wechselnder Besetzung.


Das dabei nicht selten von einer Inszenierungs-Politik die Rede ist, ist je nach Quelle dieser Bezeichnung entweder treffend oder ungewollt komisch. In Talkshows werden die Darsteller deshalb auch gleich in immer wiederkehrender Reihenfolge platziert: von Links nach Rechts, von Israel nach Palästina, von Lafontaine nach Westerwelle.


Aus dieser Paraphrasierung von Abläufen folgen im wesentlichen zwei Dinge. Eine unglaublich stark ausgeprägte Politikverdrossenheit, die ein Ausdruck von Langeweile und Gleichgültigkeit ist und eine Stagnation in einem Punkt, den viele für den grundsätzlichsten, wichtigsten Baustein einer demokratischen Gesellschaft begreifen: Meinungsbildung. Meinungsbildung. Wenn die Argumente bereits vorher bekannt sind und man selbst weiß, wann welches vorgetragen wird, entstehen beim Zuschauer keine neuen, progressiven Ansätze, sondern es werden bereits vorhandene Einstellungen und Eindrücke bestätigt. Jeder nickt, wenn sein Politiker im Bild ist, niemand wird überzeugt, umgestimmt oder wenigstens ins Grübeln gebracht. Deswegen müssen Westerwelle und Künast ja auch zu allem ihren Senf dazu geben. Quantität vor Qualität.


Aus diesem Grund ist Agenda-Setting so ein unglaubliches Machtinstrument. Wer bestimmt worüber „diskutiert“ wird, bestimmt die Meinung. Da die ausgestellten Themen nur eine Art Erinnerungsfunktion beim Wähler erfüllen. Der heutige politische Kampf stellt sich nicht mehr die Frage „Wer hat die besseren Argumente?“ sondern nur „Welches Thema wird für wichtig erachtet?“ Weswegen die Bildzeitung weiterhin der wichtigste Faktor in unserer politischen Kultur ist. Schließlich beantwortet sie diese Frage täglich, und zwar ohne jede Zweifel oder Abstriche. "Und die Dummheit siegt, weil ja der Klügere nachgibt", riefen Fettes Brot mal dazu.


Das kombinieren von Themen aber, wie es in einer argumentativ anspruchsvollen Diskussion nötig wäre, passt nicht in 8 Sekunden oder eine rot-weiße Überschrift.


Nach meiner Beobachtung ist die Mehrheit der Menschen in Deutschland genauso Atomkraft-kritisch wie genervt von hohen Strompreisen, mag weder Terrorgefahr noch am Telefon abgehört werden, isst gerne Fleisch und ist trotzdem gegen Massenhaltung.


Doch um diese Elemente zusammen zuführen, was die Aufgabe von guter Politik wäre, fehlen die genannten Kapazitäten. Genauso auch beim Thema Integration, oder was als solches Thema verstanden wird. Es ist die Erinnerungsfunktion des Agenda-Setting, die viele Deutsche denken lässt (und in anderen europäischen Ländern sind es wohl noch viel mehr), was sie schon immer dachten oder besser: fühlten. Die Ausländer bemühen sich nicht genug, lernen kein Deutsch, wollen nur unser Geld, sind schuld. "Schuld" ist dabei ein super Schlagwort. Und jetzt kommt so ein Hansel mit 1 ½ Augen und verschwindend geringen rhetorischen Fähigkeiten daher und behauptet, dass liege an ihren genetischen Voraussetzung.


Führt man diese Drecks-Denke weiter, dürften in Zukunft nur noch Integrierte in deutschen Fußballmannschaften stehen, da die WM gezeigt hat, dass nur ihre Gene zu gutem Fußball fähig sind. Ganz gleich ob türkische (Özil), tunesische (Khedira), spanische (Gomez), polnische (Klose, Podolski, Wilhelmi) ghanaische (Boateng) oder serbische Gene (Marin). Das deutsche Gen, das des Ariers – und Sarrazins Logik lässt diese Vokabel wirklich zu – steht demnach in Deutschland nur noch im Tor. Bei Adler erinnert aber auch nun wirklich nicht wenig (Haarfarbe, Kreuz, Name) an die HJ.


Doch wo war die Integrations-„Debatte“ zur WM? - Alibihaft wurde sie geführt, in Feuilletons überregionaler Qualitätspresse wurde sie angerissen. Nicht mal der Spiegel hatte wirklich Interesse an ihr. Weil eine positive Darstellung dieses Themas nicht ins Protokoll passt und das überfordert; sowohl Redakteure als auch Leser. Denn am Beispiel Nationalelf wird etwas ganz banales deutlich: der einzig entscheidende Erfolgsfaktor heißt immer Bildung. Immer. Egal ob man Physiker, Fußballer oder Selbstbewusstsein ausbilden möchte. Je mehr ich in Bildung investiere, desto besser die Ergebnisse. Deutschland erntet heute die Früchte dafür, dass es – zum Beispiel im Gegensatz zu Italien oder England, wo die Strukturen weit aus weniger gut ausgeprägt sind – nach der desolaten EM 2004 sein Ausbildungssystem umgestellt und ausgebildet hat. Als Müller England abschoss, schloss sich damit ein Kreis, der mit einem 0:0 gegen Lettland begonnen hat.


Und natürlich liegt auch der Schlüssel zum Thema Integration in der Bildung. Nur die Frage, die man sich dabei stellen muss ist, ob und wie man das finanzieren will. Solange man darauf aber keine Lust hat, gibt man das gesparte Geld lieber für scheiß pseudo-intellektuelle Bücher aus, die man zwar nicht liest, die sich aber gut im Regal machen. Man ist ja politisch interessiert. Und jetzt weiß man auch, dass man schon immer intuitiv richtig fühlte, wenn das Thema Integration ganz oben auf der Agenda stand. Der Diskurs dazu stimmt nicht um. Es ist gar kein Diskurs. Den will Sarrazin auch nicht. Er will nur auf die Agenda. Das ist ihm geglückt. Thilo Sarrazin hat gewonnen.

Mittwoch, 18. August 2010

Dinge, die man einfach mal so stehen lassen kann...


...muss man aber nicht.

Die Bildzeitung ist der Teufel und jeder der für sie arbeitet, hat seine Seele an eben jenen – zu einem guten Preis – verkauft. Irgendwann ist das Öl alle. Apple-Produkte sind scheißteuer. Die wachsende Bewerberzahl von Staffel zu Staffel bei sämtlichen Castingshows, ist ein Beweis für die Dummheit der menschlichen Rasse im Ganzen. Alles sieht im Bilderrahmen besser aus. New York ist nicht die USA. Guter Sex ist keine Frage der Dauer. Alles was wir über die Welt wissen, wissen wir über die Massenmedien (Nicklas Luhmann). Shakespeare schwafelt. 3D-Filme braucht kein Mensch und werden bald wieder verschwinden. Niemand erobert den Teutoburger Wald. In der arabischen Welt geht es Frauen deutlich schlechter als Männern. Plutonium hat eine Halbwertszeit von 24110 Jahren. Frauen mit Hut sind mit Vorsicht zu genießen. Russen in Skigebieten bestätigen eine Menge Vorurteile. Es gibt Ché Guevara-Buttons bei Media Markt. Die Trennung von Oasis war längst überfällig. Ich bin mehr Europäer als Deutscher. Möchte man einen stilistischen Abstieg unserer Gesellschaft aufzeigen, lohnt es sich das Bild zu bemühen, dass bei Rockkonzerten das Leuchten von Handy-Displays das Feuerzeug abgelöst hat. Krankenschwestern sind unterbezahlt. Tetris ist weiterhin eines der besten Computerspiele aller Zeiten. Die Nicht-Raucherlobby geht deutlich zu weit. Es ist als Zeichen für einen überhöhten Leistungsdruck unter Jugendlichen zu werten, dass gerade Mädchen Probleme mit Alkohol habe - die müssen am meisten glänzen. Die FDP ist die einzige Volkspartei Deutschlands unter 5%. Nur weil es jeder sagt, ist es nicht gleich falsch. Nur weil es jeder tut, ist es nicht gleich richtig. Freiheit für Tibet. Es ist bedauerlich, dass sich das Erstellen von Mixtapes für tolle Frauen, so abgenutzt hat. Josef Ackermann hat mehr Geld als er braucht oder verdient. Fathi Akin wird in seinem Leben mehr Oscars gewinnen als Florian Henkers von Donnersmark. Wären Kulturgüter umsonst und legal zu erhalten, würde das nicht bedeuten, dass keiner mehr Musik machen, Filme drehen oder Bücher schreiben will. Es gibt nichts gutes, außer man tut es (Erich Kästner). Die Kriminalrate war in Deutschland noch nie so niedrig, während die mediale Darstellung von Gewalt noch nie stark ausgeprägt war, genauso wie das subjektive Empfinden einer Bedrohung. Familie sein, ist nicht einfach. Mit „Chuck“ haben Sum41 ein völlig vergessenes Welt-Album geschaffen, wo sie doch sonst nur Durchschnitt zustande bringen. Schlecker beutet seine Angestellten aus. Wir haben die Freiheit, nicht frei sein zu müssen. Public-Viewing hielt nur einen Sommer. Bayer Leverkusen wird nie deutscher Meister. Nur weil Roland Koch zurück tritt, ist er noch lange kein Verlust für irgendwas. The Killers haben nach ihren Debütalbum nichts mehr hinbekommen und das wird auch so bleiben. Viele Bücher sind zu lang. Köln ist ein Dorf (und dass jeder jeden kennt, ist damit nicht gemeint). Paare mit gemeinsamem Profilfoto in sozialen Netzwerken, haben mittelmäßigen Sex. Menschen, die ohne Musik joggen, lachen auch nicht über Monthy Python. Halb-Asiatinnen sind heiß. Profi-American-Football-Spieler haben ab dem 60. Lebensjahr ein 200mal höheres Alzheimer-Risiko als der durchschnittliche Amerikaner. Das Zeit-Magazin ist das Beste, was es wöchentlich in Deutschland zu lesen gibt. Mit der Emanzipation gehen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten einher. In deutschen Schulen wird zu wenig über das Judentum gesprochen. „Nichts im Übermaß!“ ist ein gutes Lebensmotto.

Montag, 16. August 2010

„In Siegen the wind doesn't blow, it sucks!“

Für alle Menschen mit Stil.

Vor nicht allzu langer Zeit saßen wir zusammen, in einer kleinen „Die-Stadt-und-Freunde-bald-hinter-sich-lassen-Depression“. Das Studium neigte sich dem Ende zu. Es fielen Ausdrücke wie „War doch schöner als erwartet“ oder „Ich bin doch sehr froh hier in Siegen studiert zu haben“. Schöne, spontane Sätze, schöne kleine Momente waren das; etwas melancholisch, ehrlich, nicht zu pathetisch. Eine kleine Priese leiser Intimität zwischen ein paar herrlich lauten Partys. Und über allem hing die Editors-Zeile: „People are fragile things – you should know by now“ überlebensgroß.

Eine solche Situation gewinnt nicht nur an ihrer Seltenheit, sondern auch in ihrer sie umgebenden Retrospektive. Sie ist Bestätigung und Fazit zugleich. War es doch vor drei Jahren mein Hauptanliegen in dieser Stadt eben das zu finden, was es in der Heimat für mich nicht zu geben schien. Jene kurzweilige Zusammengehörigkeit, jene Dinge, die das Leben zu dem machen, was es ist; Menschen. Am Ende geht es immer nur um die Leute, die man in sein Leben lässt. Gerade im tiefsten Siegerland.

Hier, wo der Osten schon angefangen hat, wo Gott nur zum Austreten und der ICE gar nicht hält. Hier in Siegen. Eine Stadt, in der McDonalds schon um 23Uhr zu macht, Flüsse mit Parkplätzen zu gepflastert werden und es nicht-gefühlt(!) immer regnet. Diese Stadt hat alles: ein Kino, also ein Kino. Teuer, simpel, anspruchslos. Ein Theater, dessen einzige nicht-provinzielle Eigenart das in die Jahre gekommene Spießer-Publikum ist. Ein Verkehrssystem, das die Silben „Sys“ und „tem“ nicht verdient. Siegen – hier fühlt man sich unterhalten.

Auch an der Uni, wo es neben dem üblichen BWL-/Lehramts-Gesocks, für seine Besucher auch ein paar seltene Kreaturen zu bestaunen gibt. Der Asta ist zwar auf Normalmaß genauso bescheuert wie austauschbar, aber vor allem die Gattung LCMS, die sich ab einer gewissen Reife nur noch LKM nennt, stellt eine äußerst spannende, wie seltene Spezies dar. Gerade unter den weiblichen Exemplaren gibt es hier ein paar ebenso niedliche, wie exotische Ausprägungen zu entdecken. Doch auch bei seinen Artgenossen kann man sich an dieser Uni wohl fühlen.

Mit einem vorgeschobenen Pflicht-Praktikum und einem dadurch etwas tiefer liegenden NC, wird die Streberfront Richtung Großstadt abgeschoben …

Einwurf: Es muss an dieser Stelle allerdings genervt erwähnt werden, welch Ungerechtigkeit es darstellt, dass es nur der ewig am Schreibtisch lernende Streber-Einheit möglich ist, in Berlin oder Hamburg zu studieren. Wo dieser Typ von Mensch die Vorzüge einer solchen Schönheit an Stadt gar nicht nutzt, da er doch den gesamten Tag mit Lernen beschäftigt ist Oder anders: der Schreibtisch sieht immer gleich aus, egal ob er in Lüdenscheid oder London steht.

...aber zurück zur Gattung der Siegener Medienwissenschaftler: Nicht zugezogen sind von 75 Kommilitonen ganze zwei. Das erzeugt Neugier. Dazu noch die hohe Wahrscheinlichkeit, sich jeden Mittwoch in der immer selben Diskothek (Kenner der Lokalität werden bei der Bezeichnung „Disko“ zusätzlich lächeln müssen) über den Weg zu laufen und dem Wissen in diesem Fixpunkt urbaner Kultur miteinander vereint zu sein – ob man nun will oder nicht. Das gemeinsame Unglück schweißt zusammen. Entscheidend ist nicht die (nicht vorhandene) Auswahl an Diskotheken oder Restaurants, nicht mal die Wahl der Kinos. Was zählt, sind die Menschen. Und manch neutorischer Wochenend-Heimfahrer, der in Köln oder Frankfurt bereits sein Glück liegen hat, entschloss sich nun seinen Master doch hier zu machen. Weil die Menschen passen. Nicht die Siegener, die eine Berliner Unfreundlichkeit kultvieren, ohne sie sich aus naheliegenden Gründen leisten zu können. Nein, mit Mensch meine ich, wie sollte es anders sein; den medieninteressierten Studenten. Polohemdenträger, Proll, Pärchen, Promohure oder Pausenclown; der gemeine Siegener MeWi weiß jedem stereotypen Extrem stets seine guten Seiten abzugewinnen. Musik, Frisur, Klamotten, politische Ideen; der MeWi liegt stets richtig, trifft mehr als häufig den richtigen Ton, lebt immer auf der Sonnenseite des Lebens – auch wenn es davon in Siegen nicht allzu viele gibt. Siegen – hier lernte ich die Coolness kennen.

Am Ende sind es drei schlichte, gute Jahre. Solche, die es in sich wert waren. „I was looking for some action, and all I found was cigarettes and alcohol“, wusste bereits Noel Gallagher zu berichten. Der entscheidende Faktor für einen gelungenen Abend ist doch nur, mit wem du dich betrinkst und danach im Bett landest. Die medienwisschensachaftliche Fakultät ist für derlei Aktivitäten absolut geeignet. Voll mit einer Menge Menschen, die witzig sind und trotzdem Nähe zulassen. Menschen, die ohne Fremdwörter zeigen können, dass sie Ahnung haben. Menschen die den Witz "Ich habe Memento rückwärts gesehen - ist ein ganz normaler Film." verstehen. Menschen, dessen Anwesenheit du schätzt und die deine genießen. Spärlich gesät mit einer handvoll Leute, dessen ausgeprägte Präsenz du suchst und deren Gleicher du findest. Siegen – hier hab ich Freundschaft geschlossen.

Jetzt geht jeder seiner weiten Wege. Die Fleißigen sind in Berlin und/oder im Praktikum, die meisten wissen noch nicht, wo das Leben sie hin spült und die Guten bewerben sich in Marburg, Tübingen oder Passau. Das Leben ist im Fluss. „It breaks, if you don't force it“. Wer das nicht versteht, studiert aus dem falschen Gründen Lehramt. Wer das verinnerlicht, der weiß: selbst drei gute Jahre in Siegen, sind kein Grund dort zu bleiben. Es geht immer irgendwo hin. Wir sind MeWis, wir sind frei – im Kopf! Wir sehen zu gut aus für diese Stadt. Wir sind nicht ungewollt schwanger. Wir sind zu jung für Kompromisse. „Irgendwo“ hin geht es, Richtung Programm-Kino und einem McDonalds für den Besäufnis-Hunger und mit neuer Neugier auf neue Menschen. Das die nächste Stadt mehr zu bieten hat als Siegen, kommt einem Naturgesetz gleich, dass sie den gleichen Schlag von Mensch zu bieten hat, nicht.

Fragile Gebilde an menschlichem Leben, zwischenmenschlichen Erlebnissen gibt es überall, aber in welcher Form und Fülle ist zu diesem Zeitpunkt nur hypothetisch zu klären. Das wird für mich persönlich umso deutlicher, umso spannender, wenn man sich vor Augen führt, wie der Titel des oben zitierten Editors-Tracks heißt.

http://www.youtube.com/watch?v=vDCnNe2tJ0g&feature=related


Das dieser Track Stil hat, haben mich drei gute Jahre unter Medienwissenschaftlern gelehrt.



Donnerstag, 5. August 2010

Höher! Schneller! Enger!

Es bietet sich an, hier ein Bild zu nutzen, welches in diesem Zusammenhang ekelhafte Wirklichkeit wurde: das Bild vom Staub, der sich langsam legt. Nachdem er zuvor noch durch eine panischeMenschenmasse aufgewirbelt wurde. Und mit dem Staub auch eine Duftwolke aus Urin, Kotze, Schweiß und noch mehr Urin. Beißend für die Augen, wie ein Schleier voll Salz auf die Ganzkörperwunde.
Ein Zustand physischer und psychischer Extreme, wie er in diesem 16Meter breiten Duisburger-Tunnel gewesen sein muss, in dem vor lauter Menschen kein Platz war. Also gar kein Platz! Kein Zentimeter war mehr frei, Füße lösen sich vom Boden und man wid mit der Menge dahin gerissen. Man will nur raus - aus der Enge. Man kann es nicht! Man verliert die Kontrolle. Man kriegt Panik. Du kriegst Panik!
Doch das Ergebnis dieses Zustandes, in dem Masse, Hitze, Raverkultur, Alkohol und sämtliche andere harte und weniger harte Drogen zusammentrafen, wird jetzt erst sichtbar, nachdem sich der beißende Staub langsam gelegt hat.
Zunächst - nur der Vollständigkeit halber - steht da erstmal das Ereignis an sich, mit seinen nackten Zahlen: 21 Toten, über 500 Verletzte und Hunderttausende, statisch nicht erfasst, die Dinge in diesem Tunnel gesehen, gehört und gefühlt haben, die die meisten Menschen nie erleben müssen. „Schlimmer als jeder Kriegsschauplatz“ nennen das gestandene Sanitäter, die schon einiges mitgemacht haben, in der Süddeutschen. Eine Zeit-Redakteurin, mit 25 Jahren kaum älter als ich, beschreibt die Situation im Tunnel ähnlich. Sie erzählt von Menschen, die „Dahinten sterben Menschen!“, schreien, während sie verstört an ihr vorbei laufen. Sie sitzt währenddessen neben jemanden, dem man mehrfach übers Gesicht gelaufen ist. Sie hatte zuvor mit längeren Bewusstseinsverlusten zu kämpfen. Totaler Blackout. Bis sie realisiert in Gefahr zu sein. In Lebensgefahr, mit 25 Jahren, auf einer Party.
Das ist das das Ereignis für sich genommen: Love-Parade 2010. Duisburg. Ein Begriff, der seinen Weg in das deutsche Gedächtnis finden wird, wie Eschede, Ramstein oder Winnenden/Emsdetten.
Direkt dahinter wird schnell die nächste Ebene des Ereignisses sichtbar; die Verantwortlichen. Die sind schnell aufgelistet. Duisburgs OB Sauerland (CDU), dem die Behörden der Stadt unterstellt sind. Veranstalter Schaller, dem die McFit-Kette gehört und bei der ich (noch) Mitglied bin. Dazu noch eine graue Masse an staatlichen Personen und Institutionen. Gutachter, Sicherheits-„Experten“, Crowd-Manager (noch so ein Wort, das es ins kollektive Bewusstein schaffen wird) Polizei, Feuerwehr und Wichtigtuer. Viel sagen sie alle nicht. Wenn sie auch sonst nichts wissen, eins wissen sie: "Ich war es nicht!" Oder um es ihnen treffender in den Mund zu legen: sie waren es nicht allein, was zur nächsten, hier entscheidenden Ebene führt; die Ganz-gesellschaftliche. Die Ebene über die bisher noch nicht (ausreichend) gesprochen wurde. Über die Symptome dessen hinaus, was an dieser Stelle als ein gesellschaftlicher Zuschaft verstanden wird, der aus gegebenen Anlass die Umschreibung "kathastrophal" verdient.
Duisburg war eine Kathastrophe und keine Tragödie, also unvermeidlich. Die Love-Parade war kein Erdbeben oder Blitzeinschlag. Es war ein Unfall, ja. Aber einer mit Alkohol am Steuer, mit roter Ampel, fahrlässiger Tötung, mit Schuld! Es gibt rechtliche und moralische Schuldige und somit gibt es auch Wut, Groll und Rachegelüste. Duisburg hätte nicht sein müssen. Die entscheidende, bleibende Erkenntnis ist: es gab eine Alternative. Die Frage die damit einher geht und einen seither rätseln lässt, heißt also: „Was hatte anders gemacht werden können?“.
Auf erster und zweiter Ebene ist das schnell zu erklären. Ein vergleichbares Geschichtslehrstück bietet die Hillsborough-Katastrophe 1989, bei der mehrere Menschen an Stadiongittern durch Überfüllung erdrückt wurden, weil sie die Ordungskräfte weigerten die Tore zum Feld zu öffnen. Man glaubte, die Masse wollte randalieren und ließ sie auf den Stehplätzen ihren Schmerzen erliegen. Seither gibt es in englischen Fußballstadien keine Stehplätze oder Gitter mehr. Warum ich das erzähle? - Eine ähnliche Reaktion ist auch jetzt in Form einer Gesetzesflut zu erwarten. Ausgänge, maximale Personenzahl, organisatorische Abläufe, alles steht auf dem Prüfstand, wird in Zukunft verschärfst oder stäker kontrolliert. Manches wohl überlegt, anderes völlig panisch, zur Wählerberuhigung. Bis zu einem gewissen Masse sinnvolle Symptome-Bekämpfung.
Doch sagt Duisburg 2010 noch mehr über diese direkte Ebene hinaus. Bei genauerer Betrachtung erscheint dieser Unfall nicht nur als Lehrstück für Sicherheitspolitik und der Gleichen, sondern als etwas größeres. Duisburg könnte der Anfang von etwas Neuem sein, auch wenn dies nur eine wage Hoffnung meinerseits ist und keine Aussagen über Techno darstellt.
Duisburg 2010 und die man dafür noch zur Verantwortung ziehen wird, stehen für etwas, das vor 30 Jahren noch das Mantra für eine goldene Zukunft war: „Wachstum“.Dieses Unglück ist Symbol für - so sehr dies auch nach Stammtisch klingen mag - einen grundsätzliche Fehlentwicklung dieser Gesellschaft.
Duisburg wollte aufsteigen, das ganze Ruhrgebiet will raus aus seiner als dunkel und trist empfundenen Vergangenheit der Kohleberger. Sein OB ist wegen diesem Anspruch, dieser Sehnsucht, dessen Projektionsfläche er zu sein scheint, mehrfach gewählt worden. Mc-Fit-Schaller ist ein neoliberales Vorzeigekind. Mit seinem ersten Studio in Würzburg begann sein Aufstieg, der heute über 120 Studios mit sich gebracht hat. Eins davon auf Mallorca. Der Grund für Schallers Erfolg ist, dass er Bekanntes für weniger Geld anbietet: für 15,90€ im Monat trainieren, ohne Betreuung, ohne Extras. Duschen kostet 0,50€. Alle an der Love-Parade beteiligten Parteien unterlagen einem Wachstums-Gedanken. Entweder direkt oder indirekt, durch den Druck, der auf die verübt und dem sie sich gebeugt haben.

Der klassische Wachstums-Gedanke liegt - gerade im Bezug auf Duisburg 2010 - in dem Prinzip der Rationalisierung. Wenn etwas bereits da ist, ein Markt besteht, produziert man es billiger, dann kann man es billiger, also mehr davon absetzen; neues Wachstum entsteht. Wachstum heißt nichts anderes, als die Erschließung neuer Gewinnmöglichkeiten. Wenn der Markt gesätigt ist, müssen Einsparungen eine höhere Gewinnspanne zwischen Kosten und Erlös gewährleisten.
Es folgt: der einzige Weg zu Wachstum (mehr Gewinn) liegt in der Rationalisierung, in der Findung neuer, effektiverer Wege zum selben Ziel. Schließlich meint Wachstum nicht das Verwalten eines Status-Quos, sondern das Ausweiten des Bekannten, unabhängig vom Entwicklungsstand dessen. Das Ziel ist das Produkt, das Konsumgut oder die Werbeveranstaltung billiger zu produzieren und zu gleichen Teilen wie zuvor abzusetzen. Die Produkte für sich genommen sind daher für diese Überlegungen auch völlig irrelevant.
Massenveranstaltungen wie die Love-Parade eine war, sind etwas großartiges, weiterhin. Doch der Weg zu ihnen verändert sich. „Früher“, heißt es in Muxmäuschenstill: „hast du keine Aktien von einem Unternehmen das Landmienen verschifft, gezeichnet. Wenn das Ding heute Rendite abwirft, wird es gekauft.“ Etwas anderes interessiert nicht.
Man ignoriert Vorschriften für Sicherheiten, stellt weniger Ordner ein oder Wellenbrecher auf. Alles Kostenfaktoren. Denn das einzige was zählt, ist das Ergebnis, nicht der Weg dorthin. Alles was zählt, ist Wachstum! Der Weg dorthin ist, auf Grund der angedeuteten, heute fast ausschließlich vorhandenen Marktknappheit (irgendwann hat jeder sein Handy, zum Beispiel), der eigentliche Faktor, der Erfolg von Misserfolg unterscheidet. In der letzten Zeit häufen sich die Ereignisse, in denen diese Rationalisierungswege deutlich werden - im Nachhinein. Ein Finanzsystem, das sich für immer neue, größere Renditen völlig überwirft, Öl-Bohrungen so tief, dass man sie nicht mehr stopfen kann, unzählige Burn-Out-Fälle überall oder auch ein Bildungssystem, dass seinen Rohstoff gar nicht schnell genug auswerfen kann. Nie ist der Weg das Ziel, immer nur das Ergebnis. Je nachdem: Umsatz, Liter, Zuschauerzahlen, Quote oder Abitur genannt. Die Empörung darüber hält sich in Grenzen, bis mal jemand zu offensichtlich den falschen Weg eingeschlagen hat, der Verlauf dieser Route zu sichtbar wird.
Es wird wohl noch weitere Duisburgs geben, bis man vom Wachstums-Gedanken abweicht. Leider. Die genannten Warnschüsse haben ja auch nicht gereicht. Aber irgendwann ist das Öl aufgebraucht, der Regenwald abgeholzt, der Sozialstaat tot, die Bildung findet direkt bei Siemens statt und der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird wegen zu geringer Quote eingestellt, bzw. völlig privatisiert.
Das mag arg pessimistisch klingen, doch wenn sich der Staub über dem Bahnhofsgelände wieder gelegt hat, erkennt man die einfache und doch ekelhafte Wahrheit; irgendwann ist einfach kein Platz mehr im Tunnel.

Sonntag, 25. Juli 2010

Die Filme meiner Jugend

Martin Scorsese wächst in New York auf. Ohne dabei wirklich groß zu werden. Mit 1.54m hat der auch sonst von Krankheiten geplagte „Marty“ in Little Italy nicht viel zu bestellen. Das feudale Viertel New Yorks, welches vor allem von sizilianischen Einwanderern bevölkert und strukturiert wird, bietet daher für den gläubigen Katholiken nicht viel. Einzig die Kirche und das Kino bieten Orte der Zuflucht.

Nach der Schule will Scorsese seine Mutter stolz machen und Priester werden. Doch die Ausbildung scheitert. Sie kann die Widersprüche, die das mafiöse, katholische Leben gegenüber den katholischen Predigten aufwirft, nicht auflösen. Stattdessen flüchtet Scorsese an den Ort, in den er schon als Kind - bis zu dreimal täglich - zurückzog; das Kino. Dort macht er die Fragen, die ihm seine Kindheit, sein Leben aufgeworfen haben zu denen seiner Filme, die er nach einer NYU-Ausbildung dreht (An selber Stelle wird er später u.a. Oliver Stone unterrichten). Scorsese ist getrieben von einer, von wenigen Fragen. Vier Ehen scheitern an seiner Besessenheit. Die ersten drei halten nie länger als drei Jahre. Letztendlich wird Scorsese sein Leben lang den immer gleichen Film in wechselnden Farben und Klängen drehen. Nur sein herausragendes Talent überdeckt dies zumeist, bzw. macht diesen Umstand zu einer beinahe bedeutungslosen Randnotiz. Diesen Film kann man sich neu verputzt immer wieder angucken. Doch am Ende, wenn Scorsese nicht gerade in Form von Musik-Dokumentationen Urlaub vom Leben machte, kreisen seine Filme immer um Gewalt. Das Verhältnis von Kirche und Gewalt (Mean Streets), von Gewalt und menschlicher und urbaner Genese (Gangs Of New York), von Gewalt und Gegengewalt (Taxi Driver). Die Gewalt, die Scorsese in seiner Kindheit erlebte (er berichtete selbst von dem Anblick eines Toten auf der Straße, was seine Mutter mit den Worten „Das ist nur ein Jude“ kommentierte und ihn von der Leiche weg zog), hat ihn nicht mehr los gelassen. Damit ist der New Yorker, der seine Stadt erst in den letzten Jahren filmisch verlassen hat (The Departed spielt in Boston), ein Symbol für eine Art des Filmemachens, die ganz sich selbst verpflichtet ist. Die Themen sind nur die eigenen, die Geschichten stets die selbst erlebten. Autorenfilm nennt man das in Frankreich. In Amerika meint man mit Independent-Film oder der New Hollywood-Ära, dessen Kopf Scorsese war, etwas ähnliches. In Deutschland tut man sich schwer, einen passenden Namen zu finden und kopierte den Autoren-Begriff Frankreich, ohne ihm wirklich zu folgen. Fatih Akin ist einer wenigen, der heute damit Erfolg hat. Er berichtete vor kurzem, wie er in Cannes von Scorsese zum Essen eingeladen wurde und genau diese Botschaft mit auf den Weg zurück nach Hamburg bekam. Dort wo Akin bis heute Filme über seine deutsch-türkischen Welten dreht. Seine eigenen Erlebnisse dramaturgisch abhandelt.

Nimmt man diese Analogie als allgemeingültigen Maßstab oder als Beispiel wird deutlich, dass die Art Filme zu machen, der Anspruch der damit verbunden wird, sich seit der Scorsese-Generation und ihrer Idee von individuellem Kino nicht besonders verändert hat. Daraus folgt; wenn aus ähnlichen Motiven und mit ähnlichen Ideen heute Filme gemacht werden wie vor dreißig Jahren, lässt sich an diesen erkennen, wie sich die Dinge entwickelt haben - auch außerhalb des Kinos.

Eine neue Generation von Filmemachern ist erkennbar, die weitaus heterogener auftritt als ihre Vorgänger. Diese: Spielberg, Coppola, Scorsese, Forman, Nichols, Polanski oder auch Kubrick sind aus heutiger Sicht zu meist auf einen groben Torso an Themen zu reduzieren (Gewalt spielt nahezu ausnahmslos, nicht nur bei Scorsese, eine Hauptrolle), denen sie aus unterschiedlichen Blickrichtungen näher kommen wollten.

Die talentierten Regisseure der letzten Jahre hingegen sind zumeist vielschichtiger. Entweder innerhalb ihres Oeuvres, wie zum Beispiel Sam Mendes, der zwar immer mit ähnlichen, fast-wissenschaftlich, unterkühlten Bildern arbeitet (Von American Beauty über Jarhead bis Zeiten des Aufruhrs), dabei aber ein komplexes, amerikanisches Gesellschaftsbild zeichnet und mit jedem Film erweitert (Sein aktuelles Projekt wird der nächste Bond sein - sofern MGM nicht dicht macht). Andere hingegen erzählen zwar mit sich selbst verglichen, ebenso häufig vergleichbare Geschichten wie ihre Branchen-Vorgänger, nur sind diese Erzählungen thematisch weitaus differenzierter. Alejandro Gonzalez Inarritu erzählt episodisch von Schuld und Schicksal (Amores Perros, 21 Gramm, Babel) Jason Reitman verknüpft inhaltlich und handwerklich den Spaß mit der Verantwortung (Thank You For Smoking, Juno, Up In The Air), Paul Thomas Anderson findet in den größten Geschichten kleine, reine Wahrheiten (Boogie Nights, Magnolia, Punch Drunk Love, There Will Be Blood) und Darran Aronovsky versucht zu ergründen, was Menschen antreibt und erzählt dabei von Getriebenen aller Art (Pi, Requiem For A Dream, The Fountain). Ganz nebenbei hat er mit Clint Mansell den wohl größten Komponisten aller Zeiten berühmt gemacht.

An Aronovskys The Wrestler lässt sich erahnen, was man aus den heutigen und damaligen Filmen als Veränderung wahrnehmen kann. Da wo Scorseses wilder Stier (Racing Bull) im und vor dem Ring immer wieder austeilte, zieht sich der alternde Profi-Wrestler Aronovskys unter großen Schmerzen in sich und aus dem Ring zurück. Die dumpfen Schläge des Boxens 1980 sind heute introvertierten, schlichten, melancholischen E-Gitarren-Klängen gewichen. Früher beschäftigte man sich mit der Gesellschaft, die einen in die Gewalt, in den Ring drängte, heute ringt man mit sich selbst. Früher versuchte man die Welt zu verstehen, heute sich selbst. Ein Prozess, der äußerst produktive Ergebnisse abwerfen kann, weil mit dem Blick in sich, immer ein Reflektieren und Bewusstwerden einhergeht. Akin hat mal gesagt: „Wer die Welt verbessern möchte, sollte erstmal in seiner Straße anfangen.“. Es geht jetzt um die kleinen Dinge, nicht das große Ganze. Es geht um den einzelnen Soldaten Anthony „Jarhead“ Swofford, mit sich allein im Irak. Und nicht mehr um die "Apocalypse Now". Ein Film, der versuchte den Vietnamkrieg, die amerikanische Gesellschaft und gleich die gesamte menschliche Rasse zu erklären, während es sich auf sich selbst einen runterholt. Die Filme sind kleiner geworden. Kleinere gemeinsamere Nenner werden gesucht und gefunden. Ob dadurch die Filme besser werden, wird jede Generation anders beantworten, weil Filme immer mehr Lebensgefühl und weniger Ästhetik sind. So ist „Easy Rider ein wichtiger aber wahrlich kein guter Film, aber erzähl das mal einem Alt-68er.

Doch vielleicht werden die heutigen und zukünftigen Werke dadurch zeitloser, weil sie universeller und globaler werden. Und "zeitlos" ist ein großartiges Adjektiv für einen Film. Vielleicht ist New York auch einfach nicht mehr der Vorort zur Hölle, welcher er zur Scorseses Jugendzeiten noch gewesen sein muss. Selbst die American-Psycho-Generation hat die Stadt hinter sich gelassen. Vielleicht ist die Welt – zumindest im Westen der Welt – wirklich besser geworden, so dass man sich um bestimmte Dinge einfach keine Gedanken mehr machen muss.

Und vielleicht ist im Gegensatz dazu „Requiem For A Dream“ auch in 30 Jahren immer noch ein guter Film, um ihn seinen Kindern im Drogen-nahen Alter zu zeigen. Vielleicht will ich aber auch einfach nur, dass meine Generation einen bleibenden Eindruck hinterlässt und versuche dies hiermit zu erzwingen. Vielleicht will ich einfach nur sagen, dass ich mich derzeit im Kino so verstanden fühle, wie noch nie.

Mittwoch, 9. Juni 2010

Gottes Wort II

Niederlade: Der gute Trainer schafft es vielleicht das ewige Leichtfuß-Ballett mit deutschen Siegergenen auszustatten. Robben, Sneijder Van Persie (der alte Vergewaltiger!). Qualität ist da. Nur hinten, will immer in Holland niemand spielen. Wobei das auch schon schlimmer war. Finalkandidat (immer unter der Eingrenzung man trifft Spanien nicht früher) und mein einziger Außenseitertipp auf den Titel.

Japan: Asiaten. Mh. Mir fällt kein Witz ein. Sind alle klein und schüchtern. Und nur zu Besuch.

Kamerum: Klingt es rassistisch wenn ich frage: "wer hat all diese Afrikaner eingeladen?" Naja. Nichts zu holen. Ich mag den Eto'o nicht.

Dänemark: Durch die schwache Gruppe winkt das Achtelfinale. Aber am Ende ist es schon schade, dass Dänemarkt, Griechenland oder die Schweiz dabei sind und Kroatien, Türkei oder auch Russland nicht. Naja.

Italien: Zu alt, zu satt, zu doof. Die schwache Gruppe ermöglicht einen Viertelfinaleinzug. Nicht mehr. Und ganz nebenbei: wer italinischen Fußball mag, gehört erschossen. Und wer italienische Fußballer mag, gibt mir genügend Gründe zu Hause und nicht auf Großleinwand zu gucken. Nein, Baggio spielt nicht mehr. Ja wirklich, Luca Toni hat eine Freundin.

Slowakei: Kroatien in Langweilig und ohne Olic.

Paraguay: Die haben zwei Dortmunder Stürmer, Jürgen Klopp was zum freuen (Sahin macht ja Urlaub und Hummels war nicht gut genug... in your face BVB-Fans) und ich was zum Zeilen füllen. Aber im Grunde; hab ich keine Ahnung. Achtelfinale, passt und heim geflogen.

Neuseeland: Aus der Kategorie: Exoten, die beweisen, dass WMs in der Vorrunde wirklich spröde sein können. Und irgendein Reporter wird was von "Die längste Anreise" reden. Toll. Wenn das diesmal überhaupt stimmt. Sonst aber eine super Floskel. Schwachpunkt einer schwachen Gruppe.

Braslien: Das Land der Zauberer wird europäisch. Was ich gut finde. Die Messis und Robbens sterben ja nicht aus. Leider spielen die Arbeiter dann aber auch nicht mehr bei Real Madrid und Chelsea, sondern Sporting Lissabon oder Wolfsburg. Das Land ist im Umbruch. Weiterhin gut, aber auch mit zu Hohen Erwartungen ausgestattet. Bis ganz oben wird es nicht reichen. Finale 2014 in Rio: Deutschland – Brasilien.

Portugal: Am Ende gehts doch nur um eins: Wer hat den Längsten?! Christiano natürlich. So häßlich und stolz drauf, dass es Stil hat. So selbstverliebt, dass vor lauter Hass der ihm entgegen schlägt, fast sympathisch daher kommt. So egozentrisch, dass er vergisst abzuspielen. Und deswegen gibt’s für Portugal auch wieder nichts zu holen. Außer heißen Tränen auf dem Spielfeld. Medial wirksam, für alle sichtbar. Wenn Ronaldo weint (oder von Friedrich auf die Aschebahn gelegt wird), wird die Welt ein Stückchen besser.Klassischer Viertelfinal-Kandidat.

Elfenbeinküste: Mit oder ohne Drogba (der noch weniger abspielt und mehr heult als Ronaldo aber irgendwie damit durchkommt); auch der Klassiker-Tip für Leute, die so tun möchten, als hätten sie Ahnung, scheidet schneller aus, als es dem schwarzen Kontinent lieb sein kann. Vorrunde und zurück zu den britischen, spanischen und deutschen Kolonialherren, das Feld bestellen.

Nordkorea: Schade, dass mein Geheimtipp die mit Abstand schwerste Gruppe komplettiert. Im sozialistischen Gleichschritt kann man am besten eins; verteidigen. Zwei 0:0 und eine 0:2 Niederlage gegen Brasilien bedeuten leider das aus. Die 15Spieler bleiben anschließend in Johannesburg.

Honduras: Zum ersten Mal dabei, und das kurz.

Chile: Hoffnung besteht, dass die Nation entlang der Anden mir hilft die Schweiz nach Hause zu schicken. Am Ende taugen sie aber auch nur zu dieser halbgroßen Projektionsfläche. Die Zeit der Stars des Landes ist vorbei.

Schweiz: Ein beschissener Nazi-Staat, diese Schweiz. Frei von Minaretten, Moral, Ehre und rechtsstaatlicher Bereitschaft sich in Europa und eine Weltgemeinschaft einzugliedern. Aber dann beim Fußball mitmachen wollen; Na super! Das wird bestraft; mit bitteren Niederlagen und einem 1:1 gegen Honduras. Wehe wenn anders.

Spanien: Kurz; die beste Mannschaft des Turniers wird alles wegputzen, was sich ihm in den Weg stellt. Ich hatte noch nie so hohe Erwartungen an eine Mannschaft, wie an diese, in der sich eine handvoll Spieler befinden, die auf ihrer Position die besten der Welt sind. Cassillas, Xavi, Iniesta, Fabregas, Torres, Villa. Ich kriege hier feuchte Hände. Die Pässes Iniestas sind das einzige auf der Welt was Günther Netzer bereuht nie geschafft zu haben. Villas Technik. ACh die technik der gesamten Mannschaft. Lauter Özils. Torres' Antritt und Abschluss, dem stehen sogar lange, blonde Haare. Neid! Weltmeister!

Gottes Wort.

Die folgenden Aussagen treffe ich mit reinem Gewissen. Ich habe immer Recht. Das weiß ich aus Erfahrung. Wenn nicht, teste ich nur ob wer nicht aufgepasst hat.

Südafrika: Der Merkel-Effekt; ein Tor schießen und alle sagen; "Wow, dass hätte ich nicht erwartet." Vielleicht, ein paar Unentschieden. Achtelfinale? Wohl nicht.

Uruguay: Um mal wieder den guten Homer anzubringen: "Was ist das denn für ein Land "U R GAY"?!. Drittbeste Südamerikamannschaft - Achtelfinale.

Mexiko: Achtelfinale und gut - so wie immer halt. Ja, auch der Typ mit dem Ball zwischen den Oberschenkeln ist dabei. Blanco, spielt mittlerweile aber nur noch zweite mexikanische Liga.

Frankreich: Standfußball zu Füßen eines Dreckstrainers, der diesen Sport immer noch mit Schach verwechselt und bei dem niemand weiß wieso er noch bezahlt wird. Außerdem; Das Land hat in seiner arroganten Grundart bis heute nicht gemerkt, dass sie eine durchschnittliche Fußballnation plus Zindane waren und somit sind (minus Zidane). Die Hahn-Elf macht nur drei Spiele. Von "spielen" kann man dabei ja nicht reden.

Argentinien: Messi, Messi, MESSI; Star der WM. Period. Wenn man bedenkt, dass Podolski 2006 zum besten Nachwuchsspieler vor dem Argentinier und Ronaldo wurde, weiß man was falsch lief in München und Köln und wohl auch seinem Kopf. Die Stärkste Offensive des Tuniers hat Angst vor seinem Koks-Trainer, der vielleicht lieber seinen Schwiegersohn als CL-Finale-Doppeltorschütze Milito, aufstellt. Hoffe auf ein Spiel gegen England. Tipp:Finale.

Nigera: Afrikas Fußball wird überschätzt, so auch Nigerias. WM-Touristen.

Griechenland: Mauern sich ins Achtelfinale und hoffentlich nicht weiter. Für diesen Sport!

Südkorea: No Gus Hiddink, No Heimvorteil, No bestochene Schiris (Ja, wirklich! WM Spiele wuren verschoben... aber wenn es Italien trifft nenne ich das mal "Karma") - No party.

England: Was passiert wenn die beste Liga der Welt nur aus Nicht-Inländern besteht? - Ein überschätztes WM-Team mit einem überschätzten Trainer, das so tut als würde es Beckham vermissen. Und mit Peter Crouch im Sturm - wir hätten Carsten Janker nominieren sollen! Achtelfinale, dann; als zweiter gegen 5 deutsche Schützen. The same procedure as every year.

USA: Die Chance zur Überraschungsmannschaft und zum Nationalbeheizer dieses Sportes besteht. Gruppensieger. Langweilig aber Viertelfinale.

Slowenien: 0:0 gegen Algerien; langweiligste Spiel aller Zeiten. 13. Juni, 13.30H. Da muss man dabei sein. Sonst gibts wenig Ruhm. Man verliert 0:1 gegen England und sagt sich dann, wie toll man Parole geboten hätte. Dabei ist England einfach nicht so gut.

Algieren: ..... NOT.

Deutschland: Löw raus! rufe ich seit Jahren. Trochowski, Tasci, Klose oder Aogo sind keine Nationalspieler. Podolski kein Links-außen, Jansen kein linker Verteidiger und Fußball immer noch ein emotionaler Sport und kein Abwägen von Hautcremes, Schals und pseudo-intelligenten Taktiken. Aber trotzdem werden Özil, Schweinsteiger (so geht Entwicklung Trotz Werbevertrag, Prinzenrollen-Prinz-Poldi) und (ab der 60. Min.) Marin so manchen eindrehen. Wenn Friedrich den Torres' und Miltios dieser Welt nur ein bisschen hinterher kommt läuft der Laden. Zwischen Viertel- bis Finale ist alles drin; je nachdem wann man auf Spanien trifft.

Ghana: Essien verletzt. Bitter. Daher; Siehe Nigeria.

Australien: Aussie! Aussie! Aussie! gilt diesmal nicht Bernd Schneider, höhö. Aber verdienen tut sich die Anerkennung auch nur der Towart, der vielleicht ein, zwei Punkte festhält. Das Land braucht eh keine Sporterfolge. Auch ein Erfolg.

Serbien: Geheimtipp. Vidic ist toll, Pantelic hat Schuhcreme im Haar. Auf jeden Fall weiterkommen (1:1 gegen Deutschland) dann vielleicht mehr.

Gruppen E - H sind bald hier.

Sonntag, 16. Mai 2010

A Praise Chorus

Dies war mal das erste Kapitel meines Romans, den ich nie fertig stellen werde. Das Werk hat den Arbeitstitel "Treppenmensch". Dieses Kapitel, benannt nach einem großartigen Jimmy Eat World-Song, funktioniert aber auch gut, als in sich geschlossene Kurzgeschichte.

Beziehungen sind ja so einiges. Sie sind bestimmt von Trauer, Schmerz, Wut, Angst, Hass, Ignoranz, Zweifel, Frustration, Erniedrigung, schlechten Kompromissen, Nervtötung, Zwang, Eifersucht, Stress, Tränen, gebrochenem Stolz und Hilflosigkeit. Und das ist meist nur der Sex oder zumindest der Grund dafür.
Das einzige was man als gewillter Kuschelpädagoge dazu noch lächelnd erwähnen kann ist, dass es wohl nie langweilig wird, und wenn doch, so wird aus dem Schoß dieser Gleichgültigkeit schon irgendetwas Verletzendes, Frustrierendes, Trauriges oder Erniedrigendes heraus springen. Was wieder zu Sex führt. Wahlweise zu Versöhnungs-, „Ich-will-dich-nicht-verlieren-“, „Thank-God-we're-alive-“ oder „Besser-als-miteinander-Reden“-Sex, was in seinem Affekt zu ungewollten Schwangerschaften führt und darauf zu kurzfristig begonnenen Ausbildungen im Schreinerbetrieb des Schwiegervaters. Manchmal jedenfalls.

„…darum und weil ich sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten alle ganz doll lieb habe, wünsche ich ihnen, uns einen schönen und unvergesslichen Abend“.
Die Frau die dies und noch mehr seltsames Zeug zuvor gesagt hat, ist die Schülersprecherin eines sehr, sehr gutbürgerlichen Gymnasiums im Zentrum Bielefelds. Sie trägt ein sehr extravagantes und zugleich klassisches Kleid, mit akzeptablem Ausschnitt, in einem Weinrotfarbton. Sie strahlt und man strahlt ihr zu.
Ich sitze in einer der unzähligen Ecken dies komisch konstruierten Saales und probiere mich mit meiner Mutter zu unterhalten. Die ist angetrunken und süß dabei. Ich bin müde.
„Was wäre mit der da?“, fragt sie in einer Lautstärke, die ich gerade so verstehen kann und zeigt dabei auf Julia, die eben noch auf der Toilette, Dirk's Zunge in ihrem Mund und Dirk's Hand in ihrem Schritt hatte.
„Lesbe.“, antworte ich.
„Das ist aber schade. Also für dich.“, räuspert sich meine Mutter.
Ich nicke und sie steht auf und geht auf die Toilette.
Ich hole mir ein Pils von der Theke und wandere damit, möglichst lässig aussehend, durch den Saal. Nina, Janine und Caroline wollen mich zum Tanzen auffordern, aber ich lehne möglichst diplomatisch ab („... nicht tanzbar.“) und stelle mich zu Tim und John. Eigentlich heißt John Johann, aber irgendwie hat sich sein Spitzname so sehr verselbstständigt, dass selbst Lehrer ihn so nennen. Wenn es dann mal vorkommt, dass ein Unwissender seinen Namen von der Klassenliste her kennt und ihn abliest, weiß zunächst niemand wer gemeint ist. Auch John selbst braucht dann immer ein bisschen um zu reagieren.
Tim erzählt von seinen letzten Interneterlebnissen und berichtet wie viel er verloren hat, als er bei Manchester gegen Newcastle (+ Handicap) auf Unentschieden gesetzt hat.
Tim ist einer dieser Nerds, die immer zufrieden scheinen, selbst wenn ihnen irgendetwas bescheuertes oder gar trauriges passiert ist. Sie reden dann zwar laut und deutlich davon, dass alles nervt oder scheiße ist aber letztendlich wird man das Gefühl nicht los, dass alles in Ordnung ist oder mehr noch; dass alles bestens ist. Besonders dann, wenn einen auffällt, dass Tim nervt - vor lauter Witzen, Sprüchen und Anekdoten. Anzumerken wäre dabei noch, dass Tim noch nie eine Freundin, ja noch nicht mal eine Abendgeschichte hatte.
Häufig kommt da die Frage auf, ob er so positiv und albern wirkt, weil er sich noch nie im Geruch einer ganz bestimmten Frau verloren hat oder ob dies der Grund ist dafür, dass er noch nie jemanden für sich ernsthaft begeistern konnte. Ich meine, Frauen wollen ja immer zum Lachen gebracht werden, sagen sie in den Zeitschriften und schlechten Fernsehsendungen. Was sie aber nie sagen ist, dass dies immer erst dann geschehen soll, wenn es ihnen schlecht geht. Dafür muss man selbst sorgen indem man wenigstens so tut als wäre die erzieherische Arbeit seiner Eltern zur Austreibung des Patriarchats fehlgeschlagen oder ganz viel Geduld haben und dann im richtigen Moment anrufen. Timing ist entscheident. Da hat es Hollywood immer einfach. Der böse Noch-Freund baut immer kurz davor scheiße, wenn Er und Sie sich auf einer Parkbankk trefen. Wenn es regnet, natürlich. Wurden diese Filme, 10 Stunden lang gehen, hätten überhaupt kein Realtätsproblem. Aber Realitsten wurde früher eh zu oft der Lutscher geklaut.
Also, wie dass mit Tim aussieht kann ich wirklich nicht sagen. John ist da anders. Was Frauen angeht, ist durchsichtiger und offener. Er ist nun seit über 3 Jahren mit Patricia aus unserer Parallelklasse zusammen und nachdem selbst ein 10monatiger Mexiko-Aufenthalt von John, sie nicht auseinander bringen konnte, ist nicht mehr viel mit Jugendliebe. Die beiden meinen es ernst.
John einer dieser Sorte Mensch, die man oft nicht bemerkt. Erst wenn man dazu gedrängt wird, sich mit ihnen zu unterhalten merkt man wie viel Potenzial und Qualität in diesem Jungen steckt.
Menschen wie ihn nenne ich gerne „Treppenmenschen“. Das Gegenstück dazu wäre der „Fahrstuhlmensch“. Typ A brauche lange, um in der Aufmerksamkeit und Wertschätzung Anderer nach oben zu gelangen. Typ B ist sofort da. Zack! Er muss nichts tun, außer anwesend zu sein und man hört ihm sofort zu und gibt ihm Recht. Und daher hat man immer große Erwartungen an den Fahrstuhltyp und wird häufig enttäuscht. Und Zack! Ist der Fahrstuhl wieder unten. Aus diesem Grund gewöhnen sich, glaub ich, viele Menschen dieser Kategorie an die kurze Dauer von menschlichen Beziehungen und ähnlich wertvollen Dingen. Für sie ist es leichter Freunde, Partner, Geschmäcker und Ideen zu ändern, zu finden und dabei nicht das Gefühl zu haben sich und ihre Vergangenheit zu verleugnen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: nur weil jemand mit 17 Jahren beginnt, sich für seine „Limp Bizkit“-Platten zu schämen, ist er noch lange kein Fahrstuhlmensch, aber ihr versteht schon… .

Tim ist fertig mit erzählen. Er fragt, ob noch jemand ein Bier will und verzieht sich nachdem John kurz nickend seinen Finger gehoben hat.
„Tolle Rede, mh?!“, frage ich süffisant.
„Was willst du denn? Die Blondinen fühlen sich geborgen und die Anderen lässt sie in Ruhe.“, entgegnet John.
„Naja, aber warum muss es den immer jemand aus dieser Fraktion sein. Warum kann ich mich nicht auch mal vertreten fühlen. So wenige sind wir doch auch nicht, oder?“
John seufzt auf: „Erstens: hättest du dann nichts mehr zu meckern. Du willst dich doch gar nicht „vertreten fühlen“ (John zeichnet die Gänsefüßchen mit Mittel – und Zeigefinger), hier am Ceci. Da wo Tradition und Disziplin groß geschrieben werden willst du doch deine Feinde in der Überzahl, du „Rebell aus Langeweile“ (erneut). Zweitens: schau dich doch mal um. Ich weiß nicht genau, was du mit "wir" (herrje!) meinst aber, ich glaube so viele können es nicht sein.“
Ich schaue in einer denkenden Pose in die Runde: „Läuft.“
John nickt grinsend.
Ich nicke zurück und wir beide fangen an zu lachen.
Tim kommt mit Johns Bier wieder. Wir stoßen an und reden über Fußball und kommen über Roman Abramowitsch, auf die derzeitige wirtschaftliche Lage in Ostdeutschland und von dort auf den letzten Film von Roman Polanski und von dort auf die derzeite gesetzes Lage im Jugendstrafrecht. Spaß. Spaß in einer seiner reinsten Formen.

Nach etwa einer halben Stunde, hole ich mir ein weiteres Pils und verabschiede meine Mutter, die sich jetzt ein Taxi nehmen will. Ich gehe mit ihr nach draußen. Nachdem das Taxi weg ist, stehe ich noch ein wenig draußen und genieße die frische Luft dieses tagsüber heißen Tages Mitte Mai.
Etwas klopft mir auf die Schulter. Maria.
„Na?“ fragt sie leise.
„Na.“, probiere ich ihr in die Augen zu sehen. Es gelingt.
„Warum hier draußen?“
„Hab meine Mutter verabschiedet. Sie war müde.“
„Mh. Wo ist dein Vater?“
„Magendarm. Liegt im Bett.“, säusele ich.
„Das ist ja doof. Grüß ihn mal von mir, ja?“
„Mach ich“, antworte ich und lächle. Maria lächelt nicht. Sie schaut in die Wolken, pustet einmal tief durch und dreht sich um: „Okay, ich geh wieder.“, sagt sie während sie bereits den Blick zur Halle gerichtet hat.
„Hey!“ rufe ich ihr zaghaft hinterher: „ Du siehst gut aus.“ Maria dreht sich um.
„Danke.“, sagt sie mit gesenktem Blick und geht rein.

Ich gehe wieder rein und stoße dort mit meinem Deutschlehrer und Tim an. Tim ist gut angetrunken. Ich ein bisschen weniger.
Nach „Ihr wart ein wirklich schöner Kurs. Kein guter, aber ein Hübscher.“, meines typisch ironisch, dahin labernden Deutschlehrers und paar weiteren Witzen, gehe ich zur Tanzfläche. Dort tanzen mittlerweile auch Janine und Nina. Caroline, die natürlich von allen nur „Caro“ oder „Line“ gerufen wird, hat sich Dirk geschnappt und ist mit ihm ein paar Runden um den Block. Ich überlege kurz, ob ich mich später in die Eingangshalle setzen soll und darauf warte bis die Beiden wiederkommen. Ich finde dieses leichte Lächeln, welches zwei kurz „Verschwundene“ immer im Gesicht haben, wenn sie zurück kommen auf eine Party oder wie heute: den Ball, einfach beeindruckend. Diese Fünf Minuten Glück. So unverbraucht, einfach und leicht.
Aber ich finde etwas anderes, wo es noch mehr Spaß macht zu zuschauen. John und Patricia tanzen. Es wirkt, als wenn es in diesem Moment nur die Beiden gibt. Und das, obwohl gerade Nelly läuft. Es ist ihnen egal. Sie sind nicht euphorisch und turteln auch nicht rum. Im Gegenteil, kein Angemache, keine komischen aus dem letzten Videoclip abgeguckten Bewegungen, so wie sie zur selben Zeit die meisten anderen Mädchen tun. Einfach schlicht und ruhig.
Ihre Beziehung ist an einem Punkt, in dem es nicht mehr wichtig ist, sich zu unterhalten oder zu umschwärmen. Es ist eine ganz positive Form von Routine, die ich so schön finde, dass ich etwas denke, was ganz selten denke. Das gleiche wie bei der Hochzeit meines Schwiegeronkels, letztes Jahr. Als ich dem Brautpaar beim Eröffnungstanz zusah. Ich dachte nur:
Das will ich auch! Klein, sehnsüchtig, schmalzig, wahr.
Während ich dabei verträumt an meinem Pils nippe, male ich mir aus, dass ich heute Abend eine meiner Ryan Adams Platten auflege und mich dabei selbst in den Schlaf wiegen werde.
Klein, sehnsüchtig, schmalzig, wahr.
Am Ende des Abends stehe ich mit John, Patricia, Tim und einigen weiteren Abiturienten an der Bushaltestelle und warte darauf, dass uns die N3 in die Stadt bringt.
Zwilling Nr.1, der nur so oder einfach „Nr.1“ genannt wird, weil er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem weiterem Jungen aus unserer Stufe hat, raucht einen Joint und lässt ihn nach kurzer Zeit rum reichen.. Im Wirklichkeit heißt er Mark. Nr. 2 heißt Stefan. Außerdem stehen noch Tina und Sonja mit an der Bushaltestelle.
„Goldenes M?“ fragt Kilian.
„Ich nicht.“
„Ich auch nicht“
„Nö“ und
„Zu Müde“, sind die Antworten die Kilian hört. Er fährt sich kratzend über die Stirn und danach durch seine blonden, langen und lockigen Haaren. Er sieht aus wie der Sänger von Nickelback, nur ein kleines bisschen weniger peinlich.
Die N3 kommt und bringt uns zum Jahnplatz, von wo aus sich unsere Wege in die verschiedensten Richtungen trennen.
Ich sage John, Patricia, Tim und Nr.1 auf Wiedersehen und nehme die N6. Zu Hause habe ich zu meiner eigenen Überraschung immer noch nicht Ryan Adams vergessen und bereits beim Zähneputzen fährt mir „Political Scientist“ durch die Ohren. Es gibt Musik, die geht immer und daher nie. Und es gibt Ryan Adams. Oder um es mit Tees Uhlmann zu sagen: "Es gibt nichts schöneres als betrunken, traurige Lieder zu hören". Timing ist alles.
Beim Ausziehen meiner Krawatte fällt mir auf, wie komisch und somit auch ungewollt eindrucksvoll dieser Abend war.
Wie viel wurde im Vorfeld über diesen ach so großen Abend geredet. Wie lange Patricia gebraucht hat ein Kleid zu finden, was John erzählt hat. Wie teuer so eine Eintrittskarte war und wie viel Sorgen man sich gemacht hat, beim Standardtanz zu versagen, bzw. scheiße auszusehen. Mancher Mathe-LKler jedenfalls.
Und am Ende steht man mit den gleichen 7 Personen, wie die letzten 7 Jahren an der Bushaltestelle, nachdem man den ganzen Abend über die Musik genervt war und überlegt ob man noch zu McDonalds will. In solchen Momenten wird immer wieder deutlich, auf was es im Leben ankommt. Nämlich zu wissen, was man will. Was willst du? Und nicht zu glauben, man will unbedingt diesen dämlichen Abschlussball nur weil irgendjemand sagt: „So was kommt nie wieder.“
Ja und?! Ich will keine großen, kitschigen (und in unserem Fall: verlogenen) Reden oder großes Essen in noch größeren Sälen. Jemanden finden, der mich versteht. Das ist es. Ganz einfach. Egal, welche Konsequenzen das mit sich zieht.
Ich liege noch lange wach, das Licht längst aus und lausche Ryan noch eine ganze Weile. Plötzlich zuckt es durch meine Gedanken, ich stehe senkrecht im Bett. Ich fahre den PC hoch und öffne die Worddatei mit dem „Beziehungen sind ja so einiges-Text“, den ich letztens erst dahin gerotzt habe. Ich schreibe eine zweite Version:

Beziehungen sind ja so einiges. Sie sind bestimmt von Trauer, Schmerz, Wut, Angst, Hass, Ignoranz, Zweifel, Frustration, Erniedrigung, schlechten Kompromissen, Nervtötung, Zwang und Hilflosigkeit. Und das ist meist nur der Sex oder zumindest der Grund dafür. Aber wenn es passt, hat man bei all dem immer das Gefühl: Es lohnt sich.

Als ich den PC wieder herunterfahre, wird in der Bäckerei gegenüber gerade das „Geöffnet-Schild“ umgedreht. Ich laufe auf die andere Straßenseite und kaufe mir ein Käsebrötchen. Ich bin nicht mehr müde.

Sonntag, 18. April 2010

Einfach Lena

Ein Land auf der Suche nach der Schnittmenge.


Woran erkennt man, dass man älter wird? – Man will im Restaurant nicht mehr in der Mitte des Saales sitzen. Man interessiert sich bei Frauen, mehr für ihren Geruch, ihr Lächeln und ihre Plattensammlung und weniger für ihre Oberweite und ihr Verhältnis von Hüfte zu Hintern. Wobei diese Dinge nicht unbedeutend werden. Und man weiß, dass man älter geworden ist, wenn man nicht Lena heißt. Lena Meyer-Landrut, um genau zu sein.
Zugegeben, ich gucke keine Castingshows. Ich gucke allgemein wenig Hass-TV. Also alles, was man vor allem guckt um sich danach oder währenddessen darüber auszutauschen, dass man es scheiße findet. Talk-, Reality-, Castingshows. Eigentlich alles was auf „-Show“ endet und Olli Pocher. „30% all deiner Zuschauer, sind Hass-Quote“, schätzte einmal Harald Schmidt, welcher mittlerweile seit Jahren intensiv versucht diesen Markt zu erschließen. Mit Erfolg. Doch war die öffentlich-rechtliche-Stefan Raab-Ko-Produktion „Unser Star für Oslo“ nicht mit dem Ziel angetreten, sich einem anderen Markt zu öffnen?! Das qualitativ hochwertige Kultur-Produkt sollte es werden. Ein klarer Antagonist zu Bohlens DSDS. Mit guter Laune, weniger zwanghaftem Migrationshintergrund und dem wesentlichem im Vordergrund; Musik. Eben allem, was der Mittelschichtler so erwartet vom öffentlich-rechtlichen Programmauftrag. So ein bisschen wie „Wetten dass... ?“. Nur für Menschen, die erst in 10 Jahren mal „Wetten dass...?“, gucken werden.
Alles gut, soweit. Ein bisschen heile Welt ist auch ganz nett, manchmal. Und wo soll die heile denn existieren, wenn nicht in der ARD? Das Problem an der ganzen Geschichte heißt Lena. Sie sah ich dann bei „Wetten dass... ?“. Selbstbewusst, eloquent, strebsam. Doppelname, inklusive. Jemand, den ältere (gerne auch „junggebliebene“) Menschen gerne als „keck“ oder „frech“ beschreiben würden. Eine Gymnasiastin. Eine junge Gymnasiastin. Es ist nicht ganz aufzuklären ob das kleine Nesthäkchen in ihrem auffällig billigen Video und dort auf der ZDF-Couch zu dieser Gymnasiastin gestylt wurde oder ob sie wirklich dieses Mädchen ist. Vermutlich ist sie es auch wenn die Kamera aus ist, The Ultimate Girl Next Door. Daran würde ich mich ja gar nichts stören, wenn da nicht eine Sache wäre; die Frau kann nicht singen.
Sie hat diese Castingshow nicht durch musikalische Qualität gewonnen. Sie verkauft nicht auf Grund ihrer Tanzausbildung jetzt erstmal massig Singles, um dann zu gucken ob es was wird, mit dem zweiten Album. Nein, der Grund für ihren akuten Erfolg ist ihr Image. Ein Image, dass eben genau das ist. Das freche, kecke oder junge. Lena Meyer-Landuth ist nicht von den zahlreichen Anrufern bei „Unser Star für Oslo“ gewählt worden, weil sie musikalische Qualitäten besitzt. Sonst hätte jemand gewonnen, den Xavier Naidoo nicht gelobt hätte. Sondern die18jährige Hannoveranerin darf nach Oslo, weil sie das Image von Qualität besitzt. Es ist das öffentlich-rechtlichen-Prinzip. Der Schein ist entscheidend. Deswegen werden wir in der Tagesschau auch nie spannende Bilder sehen, sondern immer nur Gerichtsgebäude von außen. Weil nichts so sehr mit Seriosität assoziiert wird wie Langeweile. Das muss die Seriosität gar nicht ausschließen, aber letztendlich entscheidend ist das Image von Seriosität.
Lena, wie wir sie ja auch nur nennen, ist genau das. Ein Image von Qualität. Von einem guten, gut behüteten Mädchen, die niemandem wehtut. Ein Image von einem Gegenpol zu Bohlens Ex-Knacki's und Frühschwangeren. Um Qualität zu suggerieren, reicht es aus, dass man anders ist als das, was augenscheinlich keine Qualität besitzt; Hass-Fernsehen.
Es geht also in beiden Sendeformaten um das Gleiche. Eine möglichst große Schnittmenge in der jeweiligen Zielgruppe zu finden. Hier, das Prekariat von RTL-Familiengericht, da die bürgerliche Tatort-Mittelschicht. Hier, Alexander Klaws (welchen ich übrigens letztens in einer dieser Telenovelas gesehen habe...), da Lena. Einfach Lena, ohne Nachnamen. Sie ist die popkulturelle Version von Angela Merkel. Nichts woran man sich reiben kann, nichts woran sich die Geister scheiden, nichts mit Gehalt. Genau das, was man in Deutschland scheinbar immer wieder sucht. Das Einende. Entweder im gemeinsamen Hassobjekt oder in der Unschuld der Jugend. Die Zeiten eines polarisierenden Guildo Horns sind lange vorbei, welcher mit seiner Glatzen-küssenden und Glocken-spielenden Selbstverballhornung noch einen lang nicht mehr erreichten 7. Platz einheimste.
Aber das oberflächlich, leicht Zugängliche Lena's muss in Oslo überhaupt kein Nachteil sein. Die dicken Olsen Brothers aus Dänemark konnten 2000 mit ihrer schlichten Häuslichkeit genauso punkten, wie 2006 die Finnen Lordi mit ihrer Suggestion von Hardrock. Wo ihr Auftritt im Grunde auch nur ein Image von Härte war. Slipknot mit Kinderschminke. Aber für das europäische Schlagerpublikum reichte es. Und was ist der Schlager, wenn nicht Suggestion einer heilen Welt. Somit wird eine fordere Platzierung an dieser Stelle auch gar nicht ausgeschlossen.
Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass sich Deutschland dort etwas erwachsener präsentiert.

Sonntag, 21. Februar 2010

Hör auf! 1.2

Ich + Ich: An fehlendem Selbstbewusstsein leidet Annette Humpe, Hauptverantwortliche des Musikprojektes Ich + Ich und Schwester von Berlin-Swingerclub-Techno-Kombo 2Raumwohnung-Frontfrau Inga, scheinbar nicht. Zu dekadent fällt dabei der Name dieses „Duos“ aus. Zu zufrieden ist man innerhalb dieser musikalisch einfachsten Darstellung von Seelenverwandtschaft. Ich und Ich, du und du. Ein Regenschauer, ein Mann auf den Knien und ein Lied von Ich + Ich. Romantik aus dem Hollywood-Valentinstag-Setzbaukasten. Und ganz nebenbei, wird - wenn ein schlichtes „und“ oder ein vollfertiges „&“ durch ein billiges „+“ erstetzt wird - die Smiley-Generation zum Tanz gebeten. Denn wenn die 1950 geborene Humpe Texte wie „und jetzt die Gewissheit, die mir keiner nimmt, wir waren von Anfang an füreinander bestimmt“ oder „weil dich die gleiche Stimme lenkt und du am gleichen Faden hängst, weil du dasselbe denkst [und damit es wirklich jeder, absolut jeder versteht:] wie ich, wie ich, wie ich“ in den Äther rotzt, steckt der kleine Mirko auf Wangerooge gerade seiner ersten Liebe Linda, dass er nachts nicht schlafen kann und ihr danach die Zunge in den Hals. An und für sich ja ein Akt des Erwachsenwerdens und völlig legitim. Aber eine Jugend hat ihre Helden selber zu produzieren und die Zielgruppe der letzten Nachwehe der neuen deutschen Welle (frühere Band; "Ideal"), ist eh eine andere. Es sind die ganzen von Disney und Ben Affleck geschädigten Hausfrauen dieser Welt, die durch den Ich+Ich-Feenstaub auf Drogen gesetzt werden. Alterschnittsenker Adel Tawil umkurvt dabei mit Heliumstimme, Migrationsvordergrund und hipper Frisur jede auftretende Ecke oder Kante und spritzt dem Radiovolk die nächste Dosis Anästhetikum. Hinaus aus einer Welt der Probleme und Familiengerichte auf RTL, hinein in eine Welt voller wollig warmer Worthülsen wie „Seelenverwandter“ und „Retter in der Not“. Dass an dieser Vorstellung mehr Lieben zerbrochen als gewachsen sind, stört Frau Humpe nicht. Sie tourt mit ihrer Botschaft von einer Tupperparty zur nächsten und schläft nachts tief und selbstbewusst.
Lieblingszeile: „wo viele Schatten sind da ist auch Licht / ich laufe zu dir ich vergesse dich nicht / du kennst mich und mein wahres Gesicht“


Jack Johnson:
Auf einem Lehrgang im Zivildienst versuchte mir jemand zu erklären warum Jack Johnson toll sei. Dieser jemand trug einen Pullover, vom dem man nicht wusste ob er in seine Dreadlocks überging oder umgekehrt. Also jemand, den man grundsätzlich auch mit Jack Johnson in Verbindung bringen würde. Er sagte mir, dass er es bewunderswert finden wurde, was dieser junge Mann aus den immer gleichen drei Akkorden machen würde. Meinen Einwand, dass er ja auch mal einen anderen dazu nehmen oder gar ganz andere Akkorde einsetzen könne, lies der Krankenpfleger nicht gelten. Nein, Jack Johnson hat sich seine kleine Welt gebaut. Mit Lagerfeuer, Flip-Flops und Albumtiteln wie „ Brushfire Fairytales“ oder „In Between Dreams“. Dazu gibt’s Videos mit animierten Tieren, die man in den Arm nimmt, sowie die immer gleiche Khaki-Hose und fertig ist die Gesamtschulhysterie. Jack Johnson geht es gut. So gut, dass er keine Musik machen müsste. Die drei Akkorde kriegen andere auch noch hin. Aber eben in einem Lied und nicht in einem dutzend Alben. Nein, Jack Johnson-Musik stört nicht. Sie lässt dich dein Leben weiter leben, dich unberührt. Jack Johnson will nichts von dir. Er tut so sehr nicht weh, dass es weh tut. Jack Johnson istein musikalischer Zeuge Jehovas. So voller innerer Ruhe und dem ewig gleichen bekifften Dauergrinsen im Gesichtselfmeter, dass man ihn einfach nur windelweich prügeln möchte. Nur, damit er aufhört zu grinsen. Private Paula mit Gitarre. Du musst auch seine CD nicht kaufen. Er braucht ja doch nur die Sonne Kaliforniens und sein Lagerfeuer. Oder um es mit den treffenden Worten der Neon zu sagen:„Das neue Jack Johnson-Album – Für Menschen, die sich eigentlich nicht für Musik interessieren.

Lieblingszeile: interessiert nicht.