Dienstag, 22. Februar 2011

Der Facebook-Knigge

Ein paar Überlegungen: Elektromusik ist seit jeher Melting-Pot sämtlicher Sub- und Jugendkulturen, und damit prägnanter Ausdruck einer stilbewussten aber auch ambivalenten bis fragwürdig-gleichgültigen Gruppe Heranwachsender. FDP-Wähler besitzen weiterhin kein Hotel. 83% aller Bildungsbürger denken bei dem Ausdruck „deutscher Film“ an Till Schweiger (inklusive Till Schweiger). Die Besten sind nie die Reichsten. Silbermond-Hörerinnen verlieben sich immer in den dümmsten Idioten, weil sie das was er zu jedem sagt, auf sich beziehen und es für persönlich nehmen. Um dann – nachdem er sich idiotisch verhalten hat – zu merken, was für ein Idiot er ist, um auf dieser Grundlage die Männlichkeit im Allgemeinem zu verunglimpfen (und „Idiot“ zu nennen). Aber natürlich nur bis jemand neues ihnen sagt, wie schön ihre Augen doch wären. Alles bekannt. Das sind nur ein paar wohlbekannte Beispiele für die Unveränderbarkeit der Menschen. Der Mensch bleibt sich treu.

Was sich ändert, sind die Umstände. Die Welten, in denen sich der ewig gleiche Mensch seine zumeinst eher lästige als lässige Menschlichkeit beweist. Was sich verändert, sind die Technologien. Das Internet, die jüngeren dürften es bereits kennen gelernt haben, wartet mit immer wieder neuen Ideen und Möglichkeiten auf. Der Mensch nutzt die Illusion von weltweiter Ereichbarkeit zu dem, was er immer tut; sich ausleben. Dabei gibt es gute wie schlechte Wesenszüge zu beobachten. Neben dem Versprechen einer Weltgemeinschaft, bietet das Internet aber noch eine weitere Fantasie: Ein nur schwer zu erklärendes Gefühl von Sicherheit. Wie in einem Auto, das in seiner isolierten Form Schutz und Geborgenheit suggeriert, läd auch das World Wide Web zur unreflektierten, scheinbar-folgenlosen Handlungen. Im Internet dürfen wir endlich so sein, wie wir sind. Und die Kommentarfunktion entspricht dem senilen Rentner vor einem. Wer wir auch sind, im Internet sind wir es deutlicher.

Es gibt Quergänger und Personen, die steil gehen und quer tragen. Es gibt sympathisch und es gibt Junge Union. Es gibt Lady-Killer und Zuhörer. Es gibt diejenigen, die diese Klischees glauben und welche, die sie leben. Wer sich online trotzdem nicht zum Horst-Kevin-Emanuell machen will, ist hier richtig.

Ein Ratgeber, ein paar Richtlinien für den guten Umgang in der Welt der kabellosen Haushalte und aufmerksamkeitssüchtigen Smartphones. Eine Anleitung zur gelungenen Facebook-Nutzung. Für einen neuen Umgebung zur Befriedigung der ewig gleichen Wesenszüge. Zur erfolgreichen Aufnahme in das Netzwerk, das sich Ansehen schimpft.


1. Der Status

Grundsätzlich gilt: man kann nicht, nicht kommunizieren. Daher ist – nachdem man sich in einem sozialen Netzwerk angemeldet hat – das nicht-updaten seines Status, genauso eine Form von Selbstdarstellung, wie das Darstellen selbst. Dies sei für alle gesagt, die Selbstdarstellung seine Daseinsberechtigung absprechen möchten, weil sie keinen evolutionären Nutzen darin finden. Den gibt es auch nicht. Nur ist es die Stärke des Status', es nicht auf jenen anzulegen. Facebook-Updates sind wie Bonus-Tracks. Keiner braucht sie, aber gerade darin besteht ihr Reiz. Und wer will schon funktional leben?!

Gleichzeitig besteht der Vorteil einer Nicht-Kommunikation in der Wahrung des Unbekannten, ja des Mystischen. Da dies aber eine weibliche Tugend ist, sollte vor allem der männliche Nutzer ab und an auf sich aufmerksam machen. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:

1. maximal 1-2 Updates pro Tag (Keine Reizüberflutung!)

2. Wenn du Freunde suchst, kauf dir nen Hund (Kein Anbiedern!)

3. Niemand interessiert, was du zum Frühstück hattest (Keine Langeweile!).

4. Leute, die Mitleid oder Anteilnahme im Internet suchen, sind wie katholische Priester im Pornokino. Wer das für echt hält, hat es nicht verstanden (Kein Gesundheitszustand!).

Mit diesen Eingrenzungen kann ihnen die spannende Selbstdarstellung, inklusive Anschlusskommunikation gelingen. Vorausgesetzt, sie sind auch offline interessant.


2. Die Fotos

Grundsätzlich gilt: weniger ist mehr. Der Mensch ist ein Augentier, folglich kann das Darstellen der eigenen Äußerlichkeit durchaus von höherem Wert sein, als die verbale Beschreibung komplexer Innerlichkeiten. Doch – und diesen scheinbaren Widerspruch können viele nicht auflösen – ist auch die Äußerlichkeit vielschichtig. ODer zumindest kann sich als komplexes Mittel genutzt werden. Das bedeutet; um interessant zu sein, muss ihr Portfolio an Hochglanzmomenten ebenso abwechslungsreich sein, wie sie sein wollen, sein können. Idealtypisch gesprochen: Jedes Motiv sollte sich von seinem Albumsnachbarn unterscheiden. 50mal das gleiche Schlafzimmerblick (gerne auch mit einer Note Napoleon!)oder die gleiche Ansammlung verschiedener Helden der Kindheit (Janosch nicht vergessen!) zeugt von einer Monotonie, die mehr abschreckt, als interessiert. Und die Vodka-Flasche muss auch nicht jedes Mal ins Bild. Jedes Foto, zumindest aber jedes Album braucht also ein Alleinstellungsmerkmal. Unter dieser Prämisse ist es dann aber ganz gleich, ob sie kein Foto oder 500 einstellen. Das Mark Zuckerberg – und natürlich Sie selbst – nur Zeuge auf- und nicht abwertender Momente ihrer Person werden möchte, versteht sich von selbst.


3. Die Infos / Der Steckbrief

Grundsätzlich gilt: bleiben sie sich treu. Auch wenn wir uns seit I Heart Huckebees auch permanent fragen: "wie kann ich nicht ich selbst sein?!" Die Frage, die diese beiden Wege vereint, lautet: Wie kann ich das was ich bin, mögen? Sich treu bleiben, heißt eigentlich, sich selbst mögen können. Selbst ihrem Steckbrief merkt man an, ob sie hier etwas darstellen oder nur darstellen wollen. Quantität spielt dabei eine zumeist unterschätzte Rolle. ZU häufig vergleichbare Informationen (Meine Exfreunde haben doofe Freundinnen!) verlieren ihre Wirkung mit jeder Wiederholung. Jede Aussage, jede Info wird mit in ihrer Paraphrasierung zu einem Euphemismus ihrer selbst. Doch wer in seiner Rolle als Schöngeist, Partyhase, Philosoph, Womanizer, Sportler oder Freak glaubwürdig aufgeht, dem wird sie vom Pöbel als Persönlichkeit angeheftet. Wer eine solche Figur schlecht spielt, dem wird die gewählte Identität zum Verhängnis. Die Qualität unserer Darstellung hängt vom Identifikationspotenzial unserer Rolle ab. Lee Strasberg ist überall. Wir spielen alle. Aber mögen sie, was sie spielen. Sogar Focus lesen ist ok. Aber schämen sie sich nicht dafür. Laut Scooter hören ist besser, als heimlich Hoffenheim zujubeln. Mensch bedenke, dass du sterblich bist. Facebook-User bedenke, dass du durchschaubar bist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen