Montag, 9. Februar 2015

Hans im Glück

Weil Samstagmorgen ist, fragt sie dich, ob du noch Tee möchtest. Was natürlich eigentlich meint, wie es dir geht, also: Wie es euch geht? Jede Beziehung stellt sich diese drei Fragen, glaubst du: Wer bist du? Wer seid ihr? Und irgendwann, ob eure neue Küche dies auch ausdrückt? Natürlich möchtest du Tee. So wie du Woody Allen zu mögen oder Handgeschriebenes liebevoll zu finden hast. Die rot-weiß-karierte Tischdecke, du findest sie spießig. Du hast den Witz nicht verstanden, sagt man dir. Ihr müsst anfangen, die Dinge leichter zu sehen, sagt ihr euch und betont ein Lächeln. Alle reden immer von Anfangen. Anfangen, sich gesund zu ernähren, anfangen die Nachbarn zu grüßen, selbst die Fiesen, anfangen richtig Zeitung zu lesen, den Politikteil, nicht bloß den Lokalsport. Anfangen, seine Zubettgehzeiten zu regulieren, den Biorhythmus zu nutzen. Anfangen, Rechnungen sofort zu bezahlen. Anfangen, loszulassen, anfangen zu joggen, anfangen Komplimente auch zu hören, anfangen, es leicht zu nehmen, anfangen, über sich selbst zu lachen. Anfangen, es leicht zu nehmen. Anfangen, es leicht zu nehmen. Anfangen, es leicht zu nehmen!
Also sitzt ihr gestern in einem dieser Läden, wo sie Bäume rein gestellt haben und ... unterhaltet euch darüber, dass die da Bäume rein gestellt haben. Da sitzt ihr und zahlt drauf, weil die Burger komische Namen haben und ihr euch zwischen Sauerteig oder Vollkornbrot entscheiden dürft. Ihr seid zu denen geworden, die wegen Bäumen und Brotauswahl irgendwo hingehen. Oder aber ihr seid müde, euch dies zu verheimlichen. Die Kellnerin mag dich nicht. Sie guckt dumm. Du verabscheust diesen Laden, diesen Look, der sich, zunächst einmal, tatsächlich so nennt, und du merkst, dass du das nicht aussprichst.
Spaßbremse, nennt man dich. Man begegnet dir hier mit dem gleichen Selbstverständnis, mit dem dir die Pärchen später in der Tram gegenüber sitzen werden, play hard und so, auf dem Weg zurück zu ihren Liebe-Ist...-Comic-Kissen und Bitte-im-Sitzen-Pinkel-Schildern. In der Küche hängt dieses ausgebleichte IKEA-Poster der Bauarbeiter in New York, beim Lunch, hoch oben, ohne Netz, gleich neben der Persil-Werbeplakette aus den 50ern. Jetzt hat er die Augen auf Notversorgung gestellt, sabbert auf ihre Schulter. An der Haltestelle zieht sie ihn hinaus, wirft dir einen Blick zu, der sich weigert, peinlich berührt zu sein. Ich mache das, weil er der richtige ist, erklärt sich dir ihr Handgriff, gleichsam grob wie routiniert. Sie machen Platz für die nächsten zwei Abschnittsgefährten, die gestern noch ein Schloss an eine Brücke gehängt haben, um die Einzigartigkeit ihrer Liebe zu feiern und ja, du willst noch Ketchup. Dein Blick nach draußen ist frei, der Blick auf euch genauso.
Während es schwer fällt, sich zu unterhalten. Die Bäume sind im Weg. Hinter dem Stamm sagt eine Freundin einer Freundin deiner Freundin zu dir, dass sie Tinder hasst. Zu oberflächlich, sagt sie und nippt an ihrem Cocktail, alkoholfrei. Nur Äußerlichkeiten, sagt sie, fährt, fast naturverbunden, an einem Holzknorpel auf der Tischplatte entlang und wartet auf deine Zustimmung. Du nickst. Es sind ihre Freunde, nicht deine. Du bist ein guter Freund.
So seid ihr dann heim, habt euch ausgezogen und du bist eingedrungen. Sie hat gezuckt, weil Orgasmen so gehen und du hast es dir anschließend mit der Hand gemacht. Immer noch besser als die Frage nach Attraktivität aufkommen zu lassen. Um diesem Gedanken auszuweichen, nehmen Frauen alles auf sich. Nicht zuletzt Sperma im Gesicht.
Das ist jetzt keine 8 Stunden her und ja, du möchtest noch Tee. Bald, wenn es einmal zu viel war, wirst du sagen, dass es an dir liegt und nicht an ihr. Du wirst sagen, dass du weißt, dass das jeder sagt, aber bei dir stimmt es. Ihr werdet weinen, oder es zumindest versuchen. Du wirst versuchen, dich an der Feststellung aufzurichten, dass du wenigstens ehrlich warst und dein Blick wird aus dem Fenster fallen. Früher, als ihr es noch gemütlich hattet und es euch nicht permanent gemütlich machen musstet, da hat sie dir noch Dinge verheimlicht. Sie hat dich noch beeindrucken wollen, mit ihrer Unbekümmertheit, ihrer selbstvergessenen Adaption sämtlicher Das-mögen-die-Jungs-Klischees. Sie hat dir pausenlos Fragen gestellt und dir ist nicht aufgefallen, dass du das nicht tust. Du wurdest ermutigt ihr von deinem Vater zu erzählen, wie er vom Zigarettenholen und so weiter. Du hast dabei nur leicht übertrieben, nicht so wie bei den meisten Mädchen vor ihr. Zum Dank hat sie dir noch auf der Toilette einen runtergeholt. Das mochtest du.

Sie sagt dir, dass sie den Song mag, aber nicht warum. Du nickst und hoffst, dass sie bald eine Affäre beginnt. Du weißt wie es ausgeht und willst auf keinen Fall das Arschloch sein. Sie beißt in ihr Käsebrötchen, das sie eben noch mit sensiblem Zeigefinger, eine langjährig geübte Geste der Entspannung, mit Salz bestäubt hat. Ihr Schlafanzug hängt an ihr herab, aber ihre Brüste sind groß genug, um sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Sie fragt, ob du satt bist. Du willst duschen. Du nimmst sie von hinten und ihr seit beide dankbar dafür, dass die Kabine euch keine andere Möglichkeit lässt.
Sie weint, als du abgetrocknet aus dem Bad kommst. Du setzt dich auf ihre Zehen und legst dein Kinn auf ihre angewinkelten Knie. So geht bei dir Interesse. Sie sagt die Worte Routine und gewöhnlich. Du streichelst ihre Wange, behälst deine Überlegenheit für dich und sagst Lauf der Dinge. Dann erzählst du ihr nochmal, wie du sie kennen gelernt hast. Wie sie glaubte, ihr Referat vermasselt zu haben, so wie es jene Mädchen glauben, die es dir immer schon leicht gemacht haben. Und du sagst, dass (ihr!) Weinen schön sei und du hoffst, dass sie nicht bemerkt, dass das hier nichts zur Sache tut.

Wollen wir spazieren gehen, fragst du. Frische Luft, sagst du, mal raus hier. Ihr umarmt euch, das könnt ihr ganz gut. Sie will sich vorher noch umziehen. Das Radio läuft immer noch. Der Tee zieht weiter. Langeweile ist kein Grund, ermahnst du dich und fragst nach einem neuen Anfang. Dass du einfach nur nicht alleine sein willst lässt du nicht gelten und hast Angst vor der Abendplanung. Es ist immer noch Wochenende. 

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