Weil
Samstagmorgen ist, fragt sie dich, ob du noch Tee möchtest. Was
natürlich eigentlich meint, wie es dir geht, also: Wie es euch geht?
Jede Beziehung stellt sich diese drei Fragen, glaubst du: Wer bist
du? Wer seid ihr? Und irgendwann, ob eure neue Küche dies auch
ausdrückt? Natürlich möchtest du Tee. So wie du Woody Allen zu
mögen oder Handgeschriebenes liebevoll zu finden hast. Die
rot-weiß-karierte Tischdecke, du findest sie spießig. Du hast den
Witz nicht verstanden, sagt man dir. Ihr müsst anfangen, die Dinge
leichter zu sehen, sagt ihr euch und betont ein Lächeln. Alle reden
immer von Anfangen. Anfangen, sich gesund zu ernähren, anfangen die
Nachbarn zu grüßen, selbst die Fiesen, anfangen richtig Zeitung zu
lesen, den Politikteil, nicht bloß den Lokalsport. Anfangen, seine
Zubettgehzeiten zu regulieren, den Biorhythmus zu nutzen. Anfangen,
Rechnungen sofort zu bezahlen. Anfangen, loszulassen, anfangen zu
joggen, anfangen Komplimente auch zu hören, anfangen, es leicht zu
nehmen, anfangen, über sich selbst zu lachen. Anfangen, es leicht zu
nehmen. Anfangen, es leicht zu nehmen. Anfangen, es leicht zu nehmen!
Also
sitzt ihr gestern in einem dieser Läden, wo sie Bäume rein gestellt
haben und ... unterhaltet euch darüber, dass die da Bäume rein
gestellt haben. Da sitzt ihr und zahlt drauf, weil die Burger
komische Namen haben und ihr euch zwischen Sauerteig oder
Vollkornbrot entscheiden dürft. Ihr seid zu denen geworden, die
wegen Bäumen und Brotauswahl irgendwo hingehen. Oder aber ihr seid
müde, euch dies zu verheimlichen. Die Kellnerin mag dich nicht. Sie
guckt dumm. Du verabscheust diesen Laden, diesen Look, der sich,
zunächst einmal, tatsächlich so nennt, und du merkst, dass du das
nicht aussprichst.
Spaßbremse,
nennt man dich. Man begegnet dir hier mit dem gleichen
Selbstverständnis, mit dem dir die Pärchen später in der Tram
gegenüber sitzen werden, play hard und so, auf dem Weg zurück zu ihren
Liebe-Ist...-Comic-Kissen und Bitte-im-Sitzen-Pinkel-Schildern.
In der Küche hängt dieses ausgebleichte IKEA-Poster der Bauarbeiter
in New York, beim Lunch, hoch oben, ohne Netz, gleich neben der
Persil-Werbeplakette aus den 50ern. Jetzt hat er die Augen auf
Notversorgung gestellt, sabbert auf ihre Schulter. An der Haltestelle
zieht sie ihn hinaus, wirft dir einen Blick zu, der sich weigert,
peinlich berührt zu sein. Ich mache das, weil er der richtige ist,
erklärt sich dir ihr Handgriff, gleichsam grob wie routiniert. Sie
machen Platz für die nächsten zwei Abschnittsgefährten, die
gestern noch ein Schloss an eine Brücke gehängt haben, um die
Einzigartigkeit ihrer Liebe zu feiern und ja, du willst noch Ketchup.
Dein Blick nach draußen ist frei, der Blick auf euch genauso.
Während
es schwer fällt, sich zu unterhalten. Die Bäume sind im Weg. Hinter
dem Stamm sagt eine Freundin einer Freundin deiner Freundin zu dir,
dass sie Tinder hasst. Zu oberflächlich, sagt sie und nippt an ihrem
Cocktail, alkoholfrei. Nur Äußerlichkeiten, sagt sie, fährt, fast
naturverbunden, an einem Holzknorpel auf der Tischplatte entlang und
wartet auf deine Zustimmung. Du nickst. Es sind ihre Freunde, nicht
deine. Du bist ein guter Freund.
So
seid ihr dann heim, habt euch ausgezogen und du bist eingedrungen.
Sie hat gezuckt, weil Orgasmen so gehen und du hast es dir
anschließend mit der Hand gemacht. Immer noch besser als die Frage
nach Attraktivität aufkommen zu lassen. Um diesem Gedanken
auszuweichen, nehmen Frauen alles auf sich. Nicht zuletzt Sperma im
Gesicht.
Das
ist jetzt keine 8 Stunden her und ja, du möchtest noch Tee. Bald,
wenn es einmal zu viel war, wirst du sagen, dass es an dir liegt und
nicht an ihr. Du wirst sagen, dass du weißt, dass das jeder sagt,
aber bei dir stimmt es. Ihr werdet weinen, oder es zumindest
versuchen. Du wirst versuchen, dich an der Feststellung aufzurichten,
dass du wenigstens ehrlich warst und dein Blick wird aus dem Fenster
fallen. Früher, als ihr es noch gemütlich hattet und es euch nicht
permanent gemütlich machen musstet, da hat sie dir noch Dinge
verheimlicht. Sie hat dich noch beeindrucken wollen, mit ihrer
Unbekümmertheit, ihrer selbstvergessenen Adaption sämtlicher
Das-mögen-die-Jungs-Klischees. Sie hat dir pausenlos Fragen gestellt
und dir ist nicht aufgefallen, dass du das nicht tust. Du wurdest
ermutigt ihr von deinem Vater zu erzählen, wie er vom
Zigarettenholen und so weiter. Du hast dabei nur leicht übertrieben,
nicht so wie bei den meisten Mädchen vor ihr. Zum Dank hat sie dir
noch auf der Toilette einen runtergeholt. Das mochtest du.
Sie
sagt dir, dass sie den Song mag, aber nicht warum. Du nickst und
hoffst, dass sie bald eine Affäre beginnt. Du weißt wie es ausgeht
und willst auf keinen Fall das Arschloch sein. Sie beißt in ihr
Käsebrötchen, das sie eben noch mit sensiblem Zeigefinger, eine
langjährig geübte Geste der Entspannung, mit Salz bestäubt hat.
Ihr Schlafanzug hängt an ihr herab, aber ihre Brüste sind groß
genug, um sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Sie fragt, ob du
satt bist. Du willst duschen. Du nimmst sie von hinten und ihr seit
beide dankbar dafür, dass die Kabine euch keine andere Möglichkeit
lässt.
Sie
weint, als du abgetrocknet aus dem Bad kommst. Du setzt dich auf ihre
Zehen und legst dein Kinn auf ihre angewinkelten Knie. So geht bei
dir Interesse. Sie sagt die Worte Routine und gewöhnlich. Du
streichelst ihre Wange, behälst deine Überlegenheit für dich und
sagst Lauf der Dinge. Dann erzählst du ihr nochmal, wie du sie
kennen gelernt hast. Wie sie glaubte, ihr Referat vermasselt zu
haben, so wie es jene Mädchen glauben, die es dir immer schon leicht
gemacht haben. Und du sagst, dass (ihr!) Weinen schön sei und du
hoffst, dass sie nicht bemerkt, dass das hier nichts zur Sache tut.
Wollen
wir spazieren gehen, fragst du. Frische Luft, sagst du, mal raus
hier. Ihr umarmt euch, das könnt ihr ganz gut. Sie will sich vorher
noch umziehen. Das Radio läuft immer noch. Der Tee zieht weiter.
Langeweile ist kein Grund, ermahnst du dich und fragst nach einem
neuen Anfang. Dass du einfach nur nicht alleine sein willst lässt du
nicht gelten und hast Angst vor der Abendplanung. Es ist immer noch
Wochenende.
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