Die Welt dreht sich schnell. Zu schnell – jedenfalls für Silbermondhörer. Werte werden in höherer Frequenz verworfen, als Freiwürfe in weißen Vorstadtschulen um Gütersloh und Heidi Klum verbrennt zwischen zwei Mutterschaftsurlauben hektisch noch ein paar Dorfschönheiten. Nicht mal Harald Schmidt ist der Alte. Nur Günther Jauch gibt Sicherheit. Puh!
Aber sonst? Was hilft uns durch den Tag? Der Tatort – und in weniger emanzipierten Haushalten auch die Sportschau – legt die Zeit fürs Abendbrot fest und „Web.de“ die Themen für Selbiges.
Doch selbst Freundschaft ist heute nicht mehr das, was es einmal vortäuschte zu sein. Das Wort der Ungnade heißt „StudiVZ“. Zu unpersönlich, zu oberflächlich, zu selbstverliebt, -darstellend, zu … zu... zu doof. Doch an dieser Stelle wollen wir nicht verbittert sein. Nein, dumme Menschen gab es schon immer. Und dumme, selbstverliebte, oberflächliche Menschen hatten auch schon immer (dumme) Freunde. Das StudiVz ist eine neue Kommunikationsform, keine Züchtung einer neuen Menschengattung. Doch was ist neu an dieser Umgangsform, was macht uns missmutig und genauso -trauisch? - Es sind die neuen Indikatoren. Neue, menschliche Profile gilt es pauschal zu verurteilen. Zur Steigerung des Lebensqualität, zur Linderung des Stresses. Sich neue Richtlinien zu setzen im menschlichen Miteinander. Es gilt die Stempel, die Stigmata zu verteilen. Verteufeln! Alles, was nicht bei drei auf der Pinnwand ist. Sich anzunähern an Spezien, welche es nicht verdient haben, dass man sie nicht gruschelt. Auch wenn man ihnen auch auf diesem Wege eigentlich nicht begegnen will. Aber hier, hinter blog'schem Plexiglas, dürfen wir lustig, schaulustig schauen. Uns ein Bild machen von Ekel, Leid und Horror. Der Zirkus der heutigen Zeit. Oder um es mit der CSU zu sagen: „StudiVz – Näher am Menschen“ (von heute).
Eine Typologie (nein, dich meine ich nicht, ehrlich):
Der Fachidiot: Seine Persönlichkeit ist so vielschichtig wie Holland. Er hat genau ein Thema, dem alles unterstellt wird. 50 Gruppen, 5 Zitate und jede weitere freie Zeile wird genutzt um uns seine Passion für – sagen wir Quentin Tarantino näher zu bringen. Geschlechtsunabhängig nennt er sich „Jackie Brown“, philosophiert im Buschfunk alle 2 Stunden über europäische Namen für Burger und sein Profilfoto zeigt zwar ihn, aber im Kostüm vom vorletzten NERD-Abend mit seinen langhaarigen Freunden in schwarzen T-shirts. Nur bei den Frauen kommt das alles nicht so gut, wie erwartet.
Lieblingsgruppe: Ich will Sex mit Angelina Jolie & Tarantino soll uns dabei filmen
Der Vorsichtige: Sein Profil dürfen nur seine Freunde sehen. Seine Fotos sowieso. Aber um auf Nummer sicher zu gehen, stellt er erst gar keine ein. Nicht mal ein Profilfoto. Auch wenn seine Hobbies „fotografieren und wandern“ sind. Die gibt er aber auch nicht an. Sein Name hat er cool verkürzt oder mit Wortspielen zur Unkenntlichkeit verholfen. Tim berland zum Beispiel, „Mirko geht KO“ oder auch einfach die Initialen. Gruppen tritt er meist auch nicht bei, das wäre ja selbstdarstellend. Nur eine kurze Selbstbeschreibung gibt er an: „Ich bin einfach ich“. Wahlweise mit Smiley. Das StudiVz nicht zu nutzen, ist ihm noch nie in den Sinn gekommen.
Lieblingsgruppe: Matthias-Claudius-Grundschule Berlin-Rudow Jahrgang 1993 D-Class
Der Stereo(-)typ: Du glühst härter vor als wie alle, fährst besser Auto, als wo andere aus dem Nachbardorf, duscht gerne nackt und deine Freundin ist die Beste. Musikalisch bist du offen für alles, bevorzugst aber „Tanzbares, Soundtracks und Musicals“. Dein Profilbild zeigt dich mit einer Flasche Bier im Anschlag, fotogen wie immer. Wenn ich könnte, würde ich dich in die 80er zurück schicken. Wir hätten beide was davon. Achja, und das „Einzigste“, gibt es nicht.
Lieblingsgruppe: Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz
Die Selbstbewusste: Früher warst du mal bei den Jungs beliebt. Du hast schon Händchen gehalten, da mussten sich andere noch mit ihrer kleinen Schwester auf Gran Canaria ein Zimmer teilen. Doch dann bekamen die anderen Mädchen auch Brüste und es war vorbei. Sowohl Aussehen als auch Humor hast du daher nicht im Übermaß. Und somit bleibt dir nichts anderes übrig als albern zu werden. Und super selbstwusst! Oh ja. Du bist keck, trägst dein Herz auf der Zunge. Du stehst zu allem. Toll. Ob deine Vorliebe zu Boybands und „allem was glitzert“ oder der Tatsache, dass du wohl irgendwie ein Wok bist. Du schämst dich für gar nichts. Deine Fahrstil, deine unzähligen Klamotten (ja gut, Schuhe!) oder deine – unzähligen – Partyfotos mit deinen „Mädels“, welche du alle einzeln kommentierst („Boah, waren wir voll, eh!“). Du besitzt alles, was du zum Leben brauchst. Und alles was du nicht hast wird überwertet, Männer vor allem. Du schämst dich wirklich für gar nichts.
Lieblingsgruppe: ♥...Ich bin nicht kaufsüchtig ich bin ein Mädchen...♥
Der Romantiker: Hätte das StudiVz diese Funktion, du würdest deine Pinnwand bunt anmalen. Außerdem packst du deinen Freunden lustige Bilder mit der Tastatur auf die Pinnwand. Deine Hobbys sind zeichnen, lesen und lauter Dinge, die normale Menschen nie als ihr Hobby abezeichnen würden, wie zB. fühlen, leben, lachen, weinen oder mein Favorit: atmen. Dein Profilfoto zeigt dich andächtig vor einer berühmten Statue oder Gebäude. Mit dem Rücken zur Kamera, klar, anmutig. Gerne auch mit einer Pflanze im Arm oder am Meer. Generell hast du es nicht so mit Prägnanz. Dein Lieblingszitat ist gleich ein ganzer Songtext (von Tomte, vielleicht) und deine Selbstbeschreibung ist ein Gedicht von dir, an die Welt, über dich. Außerdem magst du die Beatles und alle Bands die aus Hamburg kommen und mehr reden als singen. Filme? - nur Europäische, wenig deutsch. Ameliè, natürlich. Deine Gruppen beginnen gerne mit „Einfach mal...“ oder „Kennst du das, wenn...“. Du bist aber nicht so oft im StudiVZ, an der frischen Luft ist es schöner. Und W-Lan lehnst du ab. Krebsgefahr.
Lieblingsgruppe: Rettet das innere Kind
To be continued...
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