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Meine Generation ist ja eher schüchtern. Andere Haufen von Menschen, die zufällig in ein und der selben Zeitzone geboren wurden, hätten schon längst den Reichstag abfackelt. Nur weil sie die neuste ABM der Bundesregierung für Wolfgang Schäuble als Finanzminister als symbolisch-gefährliche Unterstützung einer Politik der sozialen Hängematte eingestuft hätten.
Nein, meine Generation ist da eher zurückhaltend. Denn die Wenigen, die es noch schaffen sich zu positionieren, schaffen dies nur noch, weil sie Ideologen sind. Und wenn wir etwas aus der Geschichte gelernt haben dann, dass Ideologien dumm sind. George Bush, war der vielleicht Letzte, mit dieser Denke. Es ist der einfachste Weg, sich eine Ideologie „zuzulegen“. Von diesem Moment entscheidet sie über alles was du tust. Du bist fein raus. Kurz: Die einzigen Menschen, die sich noch motivieren können zum Beispiel gegen Studiengebühren (eins der am stärksten ideologisch besetzten Themen der letzten Jahrzehnte) auf die Straße zu gehen sind leider zu oft Idioten. Nicht alle. Nur eine Minderheit der Bildungsstreiker sind Idioten. Aber diese Minderheit, kann auf Grund ihrer ungebremsten Einseitigkeit, mit welcher sie die vorherrschenden Streitpunkte angeht, einfach am meisten auf sich aufmerksam machen. Oder anders ausgedrückt: wenn von 100 Leuten, 20 Leute bei Youtube sind, 20 Leute „Keine Studiengebühren!!! (!!!)“ rufen und vielleicht 60 Leute leise denken, dass diese bei einer neu geordneten Bafög-Regelung, sowie einer funktionierenden Überprüfung und Kontrolle der Reinvestition dieser, daraus eine fast schon sozialistisch anmutende Möglichkeit der Umverteilung resultieren könnte. Dann hört man nur ein schlichtes „Gegen Studiengebühren!!!“ und vielleicht noch „Bildung ist Menschenrecht“, was ungefähr soviel sagt, wie „Freiheit für Tibet“ oder „Britney Spears singt Playback“. Stimmt ja alles, bringt einen aber auch nicht weiter. Im Gegenteil, am Ende pöbelt der Pöbel und die 100 Leute, werden als Pöbel wahrgenommen.
Und die Nicht-Idioten haben keine Lust auf Idioten und gehen daher nicht mit auf den Bahnhofsplatz. Ungeachtet davon, ob sie für oder gegen oder vielleicht viel wichtiger: wie und in welcher Form (sehr unideologische Fragewörter, jaja) sie für Studiengebühren sind. Am Ende bleibt die geistige Elite zu Hause. Am Schreibtisch, in der Disko oder im Kino (als Medienwissenschaftler, musste der einfach sein). Der Rest sitzt in der AstA.
Meine Generation ist weit davon entfernt desinteressiert und wertneutral zu sein. Wir wollen einfach nur nicht die Kämpfe unserer Eltern weiter führen. Diese Schlacht ist geschlagen. Den einzigen Fehler, denn man dabei machen kann, ist zu glauben, dass es keine neuen Schlachten mehr gibt. Unsere Kämpfe bestehen eben nicht mehr darin etwas zu erreichen. Unsere Kämpfe kennzeichnen sich dadurch aus, dass sie bewahren wollen. Meine Generation ist zutiefst konservativ. Nur will sie andere Dinge bewahren als die CDU, oder vielleicht mit anderen Mitteln. Den finanziellen Luxus, die Reise-, Bildungs- und kulturelle Freiheit. Wir haben alles. Außer die Gewissheit, dass das auch so bleibt. Da ist es fast schon eine Wohltat das „Zensursula“ Von der Leyen, eine Rammsteinplatte verbieten lässt. Ein Grund zur Empörung, eine „Grundsatzdiskussion“, ein Spitzname für die Supernanny der Nation, eine Freude.
Denn, die ewige Wachstumslogik (die man irgendwann gegen sich selbst anwendet, Katrin. Hehe. Wer das jetzt nicht versteht, überliest es einfach) unserer Eltern ist zumindest spirituell nicht mehr vorhanden. Stagnation als Lebensphilosophie. Pragmatismus als subversive Kraft. Das kann nicht funktionieren. Was deutlich negativer klingt, als es gemeint ist, beschreibt einen Zustand in dem die Gefahren nicht sichtbar sind und immer von einem „aber wenn das so weiter geht“ ins nächste rennen. Denn es ist ja so; es demonstrieren Leute gegen Studiengebühren, die aber einen (durchaus mit Opfern verbundenen) Weg gefunden haben, diese aufzutreiben. Nicht die Leute, die es durch diese Gebühren in die Schreinerausbildung getrieben hat. Die Menschen, die sich über das Abitur nach 12 Jahren und den die damit wegfallende Möglichkeit eines Auslandsaufenthalt empören, waren im Ausland. Es beschweren sich die Leute über genmanipuliertes Essen, die schon lange die Möglichkeit besitzen im Biomarkt alles nach ihren Wünschen zu erhalten. Und im Punkto Überwachungsstaat und Datenspeicherung ist die Sache ja per Definition quasi unsichtbar.
Wir sind in dieser Gesellschaft weiter als manche glauben wollen. Meine Generation ist weiter als sie es von sich selbst denkt. Ja, sie kokettiert damit, wie wenig sie von sich hält. Aber am Ende, ist es nicht unser Fehler, öfter in der Disko als vor dem Reichstag zu stehen. Sondern unser Glück. Es ist unsere Entscheidung. Genauso wie es unsere Entscheidung ist keine Müller-Produkte zu kaufen, weil diese Firma auf der Spendenliste der NPD steht. Was vielleicht das deutlich effektivere Mittel für Meinungsfreiheit ist, als mit 500 Leuten, die man eh nicht mehr überzeugen muss, auf die Hauptstraße zu gehen. Es ist unsere Entscheidung, viel zu reisen, die Welt zu verstehen, in ihr zu leben, so Vorurteile abzubauen. In uns und gegen uns. Es ist unsere Entscheidung Roche's Feuchtgebiete (oder Mario Barth) nicht zu mögen, weil wir nicht alles, was sich mit Mann und Frau beschäftigt automatisch und blind als Teil eines emanzipatorischen Prozesses zu werten. Meine Generation redet nicht von Gleichberechtigung, sie lebt sie. So wie es ihr (ok, meist) beigebracht wurde. Es ist unsere Entscheidung, der Monogamie unserer Großeltern nach zu eifern und die daraus entstehende Probleme mit Einsamkeit und Langeweile durch die sexuelle Freiheit unserer Eltern zu überbrücken oder zu ersetzen. Es ist unser Glück und unsere Entscheidung all die Dinge, die andere gerne nutzen würden, wahr zu nehmen. Hier liegt es tief im Menschen, das Geld, dass er hat auch auszugeben und nicht für später beiseite zu legen. Die Freiheiten die er hat, auch zu nutzen. Sparen tun nur langweilige Menschen. Und das ist meine Generation absolut nicht. Schüchtern, ja. Zurückhaltend, ok. Aber nicht langweilig. Darauf trink ich jetzt einen! Oder zwei! Ist ja (noch) alles da, was wir zum Leben brauchen.
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