Dienstag, 1. März 2011

Der Krieg und die Schlacht


Ein paar Minuten waren vergangen.
„Ich möchte mit dir schlafen“, sagte er in einer zaghaft Stimmlage, die solch einer Direktheit fast zwangsläufig zugehörig ist. Sie guckte zunächst fragend, dann ablehnend.
„Warum?“
„Weil du schön bist.“
„Das sind viele.“
„Na und?“ war die Lautstärke seiner Stimme wieder auf einem normalen Level.
„Ich bin aber nicht viele!“
„Sagt auch niemand.“
„Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass ich dazu 'ja' sage?“
„Hatte ich gehofft, klar.“ Er zuckte selbstbewusst aber auch irgendwie notgedrungen mit den Schultern. Der Krieg war verloren, aber nicht die Schlacht.
„Wenn du mit einer Frau schlafen möchtest, musst du ihr das nicht sagen, du musst es ihr zeigen“, schaute sie ihn sachlich an.
„Schwachsinn!“ Es schien, als wären beide von dieser Aussage überrascht. Doch je mehr er darüber nachdachte, desto mehr mochte er diese Verwirrung. Während ihre Augen nach einer Erklärung fragten.
„Frauen schlafen andauernd mit Männern, die reden, aber... “
„Klar tun sie das!“, fiel sie ihm ins Wort: „Was denn auch sonst?“
„Aber...“, setzte er neu an: „... mit Männern die nur reden, scheiße reden. Typen, die soviel berechnende Luftschlösser bauen, dass man gar nicht aus ihnen heraus kommt. Männer, die euch permanent einwickeln. Und nicht umgekehrt. Ihr Frauen habt eine solch übersteuerte, groteske Vorstellung von Romantik, dass ihr andauernd auf die Typen rein fallt, die euch nach Strich und Faden verarschen. Weil sie euch eine Projektionsfläche bieten, aber keinen Halt.“
„Du bist zynisch.“
„Hab ich mir nicht ausgesucht.“
Sie überlegte, schaute abschätzig, dann: „Du willst also sagen, dass Frauen Opfer ihrer Sehnsüchte werden?“
„Nein, aber Frauen bekämpfen ihre Sehnsüchte mit den falschen Medikamenten.“
„...und die Medikamente in dieser Metapher sind.... Männer?“
„Idioten, ja. Idiotische Typen.“
„Also alle Männer, die wissen, wie man Komplimente macht, sind Idioten?“
„Was habe ich dir eben gesagt?“
„Dass du mit mir schlafen willst.“
„Und warum?“
„Weil ich gut aussehen würde, wow!“, polterte sie befreit. Er begann, ihr Spaß zu machen.
„Die Frage impliziert doch schon eine Wertschätzung. Wenn ich jemanden frage, ob er mein Trauzeuge sein will, drückt das doch mehr Wertschätz aus, als jedes 'Du bist so ein guter Freund'.“
„Ja, weil du nicht jeden fragst.“
„Du denkst, ich frage jede?“
„Ja!“
Er senkte den Kopf, kratzte sich an der linken Schläfe und versuchte desillusioniert auszusehen.
„Ok, mag sein, dass du nicht jede fragst. Aber woher soll ich das wissen?“
„Woher weißt, dass irgendein Typ das ernst meint mit den 'schönen Augen'?“
„Weiß ich nicht. Manchmal glaube ich es, manchmal nicht. Augen sind nun mal persönlicher als jedes andere Körperteil. Sie sind der Schlüssel zu allem, irgendwie. Manchmal sagt jemand das nur so, manchmal hat er es verstanden.“
„Nein, du glaubst es immer! Nicht aus Dummheit, aber aus Naivität. Weil du es glauben willst. Und dann schläfst du mit ihm, zur Belohnung. Aber auch aus dieser Hoffnung heraus, die Hoffnung er könnte er ernst meinen, dich wirklich lieben, ist einfach zu stark.“
„Und was ist daran falsch, zu hoffen geliebt zu werden.“
„Gar nichts. Nur...“
Das wurde ihr zu persönlich: „...Vielleicht schlafe ich auch einfach nur mit jemandem, weil ich ihn attraktiv finde?“ Es war ein guter, neuer Gedanke.
„Und warum muss dann der 'Augen-Satz' überhaupt noch sein?“
„Weil ich lieber mit großem, als mit kleinem Ego aufwache.“
„Und dein Ego ist immer noch groß, wenn du morgens feststellst, dass du nur eine Nummer bist?“
„Wer hat überhaupt gesagt, dass ich dich anziehend finde?“
Die Frage traf ihn. Aber er überspielte es sehr gut, wie er fand, indem er es einfach überhörte. „Ich hab nur meine blöde Ehrlichkeit anzubieten. Ich möchte dich mit nach Hause nehmen. Und natürlich will ich das wegen deiner Augen, wegen deines Stils oder wie du dich gespielt empörst. ´Ich bin aber nicht viele!`“, machte er sie nach. Sie grinste.
„Jetzt spielst du das Spiel ja doch mit!“
„Und das gefällt dir.“
„Geht. … bist du sicher, dass du einfach nicht gut in diesem Spiel bist. Dass du einfach nicht flirten kannst und es deswegen als verlogen kenntzeichnen musst?!“
Er zuckte mit den Schultern: „Kann schon sein. Aber es ist verlogen. Das Spiel belohnt die Falschen. Es gewinnen die Arschlöcher.“
„Glücklich sind immer die Anderen, was?“
„Öfter als einem lieb ist.“
„Einem? Oder dir?“ Wieder war da ein neuer Gedanke. Wieder gefiel es ihr, so die Überhand zu behalten: „Ich glaube, was du nicht verstehst ist, dass dieses Spiel Spaß macht. Es hat kein Ziel. Und wenn, macht es keinen Spaß. Man spielt nicht für das Ergebnis, verstehst du?! Du spielst für das Ergebnis und gegen die Ärschlöcher oder wie du das nennst. Da kannst du nur verlieren.“
„Mh, ok.“, sagte er abwesend.
Sie schaute über seine Schulter: „Ich muss jetzt mal wieder rüber. “
„... nein! Keine dieser Sätze, bitte. Geh deine Wege, ok. Aber.... ach, … mh.... Scheiße! Schade, wirklich schade. Du hast wirklich schöne Augen.“
„Du Märtyrer!“, rief sie und hoffte, dass ihr Blick diese Worte als harmlos entlarvte.
Er blieb ernst: „Wirklich.“
„Ok, mh. Tja, danke.“ Es war der kälteste Moment an diesem Abend. Ihr Blick versuchte nichts mehr zu entlarven. Sie ging. Er blieb stehen, ging dann in eine andere Richtung. Er holte seine Jacke und ging zum Kiosk um die Ecke. Eine Whiskey-Cola-Dose im Arm setzte er sich vor der Eingangstür auf eine Bank. Er wusste selbst nicht wieso.

Eine gute Stunde später trat sie heraus, zusammen mit zwei Freundinnen, die er gar nicht wahr nahm. Sie sah ihn nicht. Er stand auf.
Sie hatte sich noch nicht einmal umgedreht, da rief er, ohne sich die Worte vorher zurecht gelegt zu haben: „Es gab in meinem Leben bisher vier Frauen, die ich das gefragt habe. Die Letzte vor über einem Jahr. Du warst die erste, die nicht sofort weg gerannt ist.“ Die Worte waren so pathetisch, dass es sie ohne Alkohol nicht gegeben hätte. Sie drehte sich um, während sie letzten Knöpfe ihres Mantels zusammen legte. Sie war nicht nur verwirrt darüber, ihn hier zu sehen, sondern auch, dass sie das freute. Auch wenn man ihr dies nicht ansah.
„Vielleicht kann ich nicht flirten“, fuhr er fort, während sie ihre Haare über den Kragen warf: „Kann ich wirklich nicht. Ich trage wenig Leichtigkeit in mir. Ich spiele nicht, stimmt. Aber das Ehrlichkeit, ich meine Komplimente-machende-Ehrlichkeit nicht belohnt wird. Das ist nicht nur fies. Das ist doch auch nicht in deinem Interesse. Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn Idioten wie ich mehr Sex hätten. Ich weiß, das klingt bitter, und Bitterkeit wird nie belohnt, aber es ist falsch, dass sie nicht belohnt wird! Es ist einfach nicht richtig.“ Es klang wirklich alles sehr bitter. Viel verbitterter als es ihm lieb war.
Fast gleichgültig, mit hängenden Schultern fuhr er nach kurzer, hoffentlich wirkungsvoller Pause fort: „Flirten? Ich kann das Wort nicht mal leiden. Ich sage doch auch nicht Clique oder...“
„ … ist gut!“ unterbrach sie ihn: „Komm, sei ruhig!“ Sie suchte nach einer Zigarette: „Du bist zurück gekommen. Du hast was zeigt.... das ist besser als alles was du sagst.“ Und da war auch wieder etwas in ihrem Gesicht, dass ihre Worte kommentieren wollte.
Er nahm die Hände aus der Jackentasche und versuchte etwas Konkretes in ihren großen, braunen Augen zu finden. Es wirkte wie ein Abschied und er tat das, was er immer in solchen Momenten der Unwissenheit tat; er wurde ironisch. „Darf ich dir ein Mixtape zusammen stellen?“ lachte er, als wäre es nicht sein eigener Witz gewesen. Sie tat so als würde ihr Lächeln nur ironisch sein.
„Um Gottes willen, nein! So jemand wie du, hört doch eh nur depressive Scheiße! “, sie genoss diesen Moment wie nur ganz wenige in letzter Zeit. Er nickte, immer noch hinter einem grinsenden Gesicht versteckt. „Aber wenn du willst, kannst noch mit zu mir kommen“, entglitt es ihr. Sie war betrunken.
Er erschrak. Als er sich gesammelt hatte: „Es sind wirklich deine Augen.“
„Halt's Maul!“
Er zahlte das Taxi.

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