Der Goldene Monaco 2011 war ein entspanntes Klassentreffen, eine überwältigende Party und sogar ein bisschen Lebensgefühl.
In München gibt es T-Shirts und Diskoreihen, die nennen sich: „So much not Berlin“. Irgendwie ein schwaches Bild. Wenn die „Weltstadt mit Herz“ und Wahlheimat Patrick Lidners sich selbst so klein macht, sich über jemand anderen als sich selbst definiert. Nur kleine Verlierer reden immer über die Anderen, hat Sir Alex Ferguson mal über ManCity gesagt.
„Wie ist München?“ ist die erste Frage nach dem Zug. Schön, sehr schön, unglaublich schön, fast zu schön, zu schön! So ungefähr, antworte ich. Doch Abends geht es weniger um mich als mehr um „die Anderen“. Eine Flasche Wein, eine Runde Wizzard, es laufen „Editors“. Gossip-Gespräche: wer mit wem, wer nicht mehr, „Was hat er gesagt?“. In einem Jahr passiert eine ganze Menge und niemand ist gestorben. Verbindende Feindbilder und Weißwein. Ein guter Abend.
Einen kurzen Schlaf später hat die Mensa auf. Das Beste was die Uni-Siegen zu bieten hat: der großartige Laucheintopf und die unglaublich großartige Bioquarkspeise, inklusive Wasser und soviel Zahnstochern wie man nur essen kann, 1.30€. Dafür gibt’s in München nicht mal nen Bier in der Happyhour.
Anschließend müssen die Damen zum Frisör, die Herren nochmal zu "H&M". Es wird Zeit. Das erste Bier schäumt gegen 15Uhr über. Man kommt zusammen. Jeder studiert jetzt irgendwo, ist auch egal. Dein Verein ist ja auch abgestiegen... aber was waren das für tolle 20 Minuten am letzten Spieltag, als Wolfsburg am Abgrund stand... . Hemden und Haare sitzen noch, der Vodka ist offen aber noch kühl. Moderat und modisch geht’s Richtung Siegerlandhalle. In Reihe 3 werden Schnäpse verteilt. Im Ausschnitt der blonden Dame zu meiner Rechten sind sie ins Rund gelangt. Noch vor dem ersten Einspieler wird gehoben. Stil ist, wenn man trotzdem kotzt. (Was keiner tun wird, nur so am Rande)
Die Show hat keine Kinderkrankheiten, sie ist eine Kinderkrankheit. Timing besteht nicht, die Musik ist nicht abgemischt, Mikros werden hinter der Bühne angelassen, mitten im Film wird die Leinwand für einen der miesen Sketsche zugemauert. Eine Art Film-Mario-Barth beklagt das Frauenbild Rosamunde Pilchers und das Dürr-sein von Bondgirls. Soso. Und Wasser ist nass. Selbst die Einspieler – die letzten Jahre immer kleine Perlen des selbstverliebten Dilettantismus – sind erschreckend lahm. Auch die Publikumsfilme wollen nicht recht unterhalten. Fremdschämen everywhere! Nach der Pause werden wenigstens die Gewinnerfilme ansprechend und es geht versöhnt in die Nacht.
Es ist voll! Für Monaco-Verhältnisse insbesondere. 1500, vielleicht 2000 Leute sind da. Die Beine sind frisch gewachst, die Kleider ein ganzes Jahr ungetragen, die herrlichen Düfte noch nicht von Schweiß und Pils überlagert. Man verliert sich und andere, trifft auf diese und jenen. Schmalltalk everywhere! Etwas vorsichtig ist noch alles und die lange Schlange am Wertmarkenverkauf verleitet zu dem Gedanken, die Tanke zu konsultieren. Doch mit dem Abend, mit der Lichtung der Gänge, mit dem Alkoholspiegel, mit dem Kennenlernen von neuen Masterstudenten dreht sich der Abend fast unbemerkt ins gelobt-wollige. Irgendwann geht alles von allein. Die Musik wird lauter, die Gespräche witziger, die Gesten mutiger. Überall läuft man plötzlich Menschen über den Weg, die man vergessen hatte, aber trotzdem gerne wieder sieht. Permanent! Kommilitonen, natürlich. Aber auch den Typen aus dem Filmprojekt im 2. Semester, die Süße aus dem Vollyballkurs, die einen damals abserviert hatte („Du meinst das nicht ernst!“), die Leute mit denen man Theater gespielt hat, den Lieblingsdozenten, den Hassdozenten, die Quirlige aus der Oberstadt, ehemalige Nachbarn, die Organisatoren aus dem unteren Semester oder die neue Mitbewohnerin von dem und dem. Es ist wundervoll. Mit jedem gelingen die Pointen, jeder hat Lust, ist bemüht aber nicht verkrampft. Jeder sieht gut aus. Vielleicht um Drei Uhr klemme ich die neue Masterstudentin unter die Arme und schleppe sie unter großem Gekreische auf die Tanzfläche. Dort ist mittlerweile auch das Orgateam angelangt, dass sich in einer Mischung aus Stolz, gelöster Anspannung und Müdigkeit in ein bescheuerten-Scheiß-mach-Delirium befördert hat. Etwas später massiere ich einer Dame die Füße und gegen halb Fünf stehe ich an Theke. Neben mir die Blondine, aus dessen Ausschnitt ich zuvor noch Klopfer ziehen durfte: „Was gibt’s?“ „Cocktail.“ Sie erhält ein buntes Etwas in einem Cosmoplitan-Glas, halb gefüllt. Sie ist genervt: „...aber nicht, wenn ich gewusst hätte, dass ich eine solche Pfütze bekommen würde!“ Ich bestelle mein Bier und wir suchen den Typen, der sie letztens mit „Einen wegstecken“ rumkriegen wollte, um ihm damit schlechte Wortspiele unterzujubeln.
Mit der aufgehenden Sonne kommt ein neuer Energieschub. Telefonnummern werden an immernoch schöne Frauen verteilt, die nie anrufen werden. Aber es fühlt sich gut an. Die Jagd ist das Ziel. Als die Musik mal wieder ins elektronische abdriftet, macht sich der Medien-Mob auf. Vor der Halle wird Frisbee gespielt, Männer liegen sich in den Armen und wissen nicht warum. Überhaupt nicht müde watschelt die dünnäugige Gruppe Richtung Stadtzentrum. Frauen laufen barfuß, Männer gucken, wen sie bis zur Wohnungstür bringen dürfen. Die Hemden sind längst offen. An der Weggabelung zur Oberstadt gibt es eine dieser Verabschiedungen, die ein unendlich charmanter Wind umweht. Als wenn man gerade das ganze Glück der beiläufigen Welt zwischen sich zusammen drückt. „Du bist eine von den Guten“ möchte man sagen und – dem Restalkohol sei dank – tut man es sogar. Hach!
Zu Hause gibt es noch etwas Rührei im Brötchen. Damit schläft es sich besser. Wer hat heute wen abgeschleppt, wer ist wie unfotogen? Der letzte Ritter des verlorenen Schatzes kehrt Heim. Völlig zerstört und seiner großspurigen Ankündigung „heute auf gar keinen Fall allein nach Haus zu gehen“ nicht folgend. In drei Stunden will er eigentlich zu „Rock Am Ring“.
Am nächsten Mittag steht die Sonne so hoch, wie sie es in Siegen selten tut. Ohne Kater sitzt man auf dem Balkon und hört Lokalradio. Was war das gestern? Da war Glück, ohne zu wissen oder sich daran zu erinnern, glücklich zu sein. Es war diese Zwischenwelt, von der man glaubt, sie nur im Suff betreten zu können. Dabei aber häufig vergisst, dass diese aus weit mehr besteht. Da waren Menschen, in dessen Mitte man stand, und nicht dabei. Bei denen einem nichts peinlich war und denen selbst nichts peinlich ist. Hier lag etwas unbekümmertes, etwas leichtes, etwas ehrliches zwischen den hedonistischen Momenten. Hier haben die Frauen Klasse ohne Anstrengung im Blick und die Männer behaupten nicht, endgültig zu wissen, was genau Stil sei. Der "Goldene Monaco 2011" war ein großartiges Klassentreffen. Aber ohne das Gefühl, den Anderen zeigen zu müssen, wie weit man es gebracht hat.
Also steht man mitten im Abend an der Theke und ärgert sich über einen mickrigen Cocktail, guckt auf sein Bier, das man hier nicht Helles nennt, und denkt sich mit glänzender Seele und nostalischem Blick: Siegen – so much not Munich!
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