Dienstag, 16. Februar 2010

Hör auf! 1.1

Xavier Naidoo: Es ist ein leichtes über den letzten gallischen Barden am Lagerfeuer herzuziehen. Wenn Gerald Asamoah, seines Zeichens Quoten-Schwarzer der deutschen Nationalmannschaft und lebender Beweis dafür, dass Fußballer weder kulturell, noch musikalisch ernst zunehmen sind, schon Xavier's Partyhitmix spielt, weiß man; dieses Land wird nie verstehen, was Stil bedeutet. Dieses Feld müssen wir einfach den Angelsachsen und Skandinaviern überlassen. Leider. Aber, die Sache ist die; der Xavier, von Freunden auch liebevoll gute-Laune-Papst oder Wanderprediger genannt, hat es einfach verdient. Mit schiefsten Paarreimen-Delux wie „Wir holen uns den Himmel auf Erden / Und keiner muss sein Leben mehr gefährden“ und Beats, so komplex und vielschichtig, dass sie mindestens aus dem Drumcomputer von Windows 95 stammen müssen. Oder aber mit von Lidl in Auftrag gegebenen Darbietungen , um die Tiefkühlabteilung dauerzubeschallen, hat er sich sämtlichen Spott reglich verdient. Nein, Xavier's Problem ist nicht sein Glaube, den er zwanghaft in jedes Lied – Achtung, Jesus-Witz – nagelt. Geschenkt. Das Problem ist die Ruhe, diese unglaubliche Stille, dieses Valium, dieses Vakuum, dieses Nichts Mit dem all dies den Anspruch stellt, bedeutsam zu sein. Aber mit Allgemeinheitsplätzchen wie „Bitte hör nicht auf zu träumen / von einer besseren Welt / Fangen wir an aufzuräumen /bau sie auf wie sie dir gefällt“ (Kreuzreim-Delux), wird hier die selbe, plumpe Bilderbuchgeschichte erzählt, wie wenn Scooter mit „When I was young / It seemed that life was so wonderful / A miracle / Oh it was beautiful / Magical“ Supertramp ohne jedes Schamgefühl covern. Nur tut der Kirmes- und Gülcan's Hochzeitsact, dies mit dem Wissen hoffnungslos belanglos zu sein. Und das macht die Herren um Hans-Peter Baxtor um einen wesentlichen Faktor reicher, als den Mickey-Krause des Beichtstuhls, ohne die Musik einfach nicht funktionieren kann; Authentizität.
Lieblingszeile: „Spürst du die Vorhut / aufkommenden Frohmut?

Silbermond: Ich weiß nicht ob die Sängerin der Band früher gehänselt wurde. Aber ich halte es für durchaus möglich, dass Stefanie den Namen ihrer Band auch gerne mal als Vergangenheitsbewältigung nutzt. Mit Silberblick und Mondgesicht gegen den bösen Schulhofmob vergangener Tage.
Überhaupt stehen Silbermond immer auf der guten, sicheren Seite der Aula. Sie sind der Schülersprecher der deutschen Musiklandschaft. Für gute Laune, gegen Pessimisten. Für Gerechtigkeit, gegen die bösen Politiker da oben. Wallraff mit Akne. Silbermond haben den Schulhof nie verlassen. Nur anstatt dort wie früher verprügelt zu werden (habe ich schon erwähnt, dass die Kapelle aus dem tiefsten Sachsen, namentlich Bautzen stammt?!), sind sie jetzt die aufrichtigen, strebsamen Aufseher und SV-Mitglieder. Neonfarbenes Leibchen und reflektierender Aufkleber inklusive.Und so stehen Silbermond da, in jedem ihrer Videos und gucken traurigen Menschen beim scheitern zu. In jedem Video! So stehen sie da, gucken selber traurig und singen: „Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit, in dieser Welt in der nichts sicher scheint“. Das ist kein Optimismus, das ist Ekel. Die TAZ nennt sowas CDU-Romantik. Ich nenne es die Angst, den Schulhof zu verlassen und – genau! – zu leben. Mit Narben, Reibungen, dem ganzen Scheiß. Mit Feinden, Gegnern und allen, was es so mit sich bringt, wenn man bereit wäre für etwas einzustehen. Doch dafür fehlt Silbermond einfach das Rückradt und wohl auch der Intellekt. Zu gemütlich lebt es mit den weichen Gitarren, den vorsichtig, ganz vorsichtig hingerockten „Jetzt-alle-im-Chor:-wir-sind-alle-Individuen“-Nummern oder den schön allgemein gehaltenen „Aufstehen!-egal-für-was-,ist-auch-gut-für-die-Figur“-Singles. Damit sich niemand ausgeschlossen fühlt. Selbst im persönlichsten was es gibt, bleiben Silbermond so allgemein, dass es an Satrie grenzt; "Du bist das Beste was mir je passiert ist, / es tut so gut wie du mich liebst. / Vergess den Rest der Welt / wenn du bei mir bist." Ein Liebeslied, gerichtet an jeden und alles und damit dabei seine Existenzberechtigung völlig zu unterlaufen. Wenn ich einen Menschen liebe, dann doch weil eben nicht so ist wie alle. Aber bei Silbermond darf jeder mitmachen. Hauptsache, er ist kein Miesepeter. Mit einem Lächeln in die Bankkaufsmann-Ausbildung und dann in den Schützenverein. Aber damit niemand (vorallem man selbst) merkt, dass wir schon jetzt älter sind, als unsere Eltern, alle im Chor, gegen das Mobbing:

Lieblingszeile: "Gib nicht auf / Du bist gleich da / Und dann vergisst du das was vorher war / Du bist gleich da /Du bist gleich da / Am Ort wo vor dir keiner war"

PS: Preisfrage: Wer ist dieses Jahr beim 1Live-Schulduell dabei? (Kleines Zitat; "Das wird wie ne Klassenfahrt, nur ohne Lehrer.")

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