Ich + Ich: An fehlendem Selbstbewusstsein leidet Annette Humpe, Hauptverantwortliche des Musikprojektes Ich + Ich und Schwester von Berlin-Swingerclub-Techno-Kombo 2Raumwohnung-Frontfrau Inga, scheinbar nicht. Zu dekadent fällt dabei der Name dieses „Duos“ aus. Zu zufrieden ist man innerhalb dieser musikalisch einfachsten Darstellung von Seelenverwandtschaft. Ich und Ich, du und du. Ein Regenschauer, ein Mann auf den Knien und ein Lied von Ich + Ich. Romantik aus dem Hollywood-Valentinstag-Setzbaukasten. Und ganz nebenbei, wird - wenn ein schlichtes „und“ oder ein vollfertiges „&“ durch ein billiges „+“ erstetzt wird - die Smiley-Generation zum Tanz gebeten. Denn wenn die 1950 geborene Humpe Texte wie „und jetzt die Gewissheit, die mir keiner nimmt, wir waren von Anfang an füreinander bestimmt“ oder „weil dich die gleiche Stimme lenkt und du am gleichen Faden hängst, weil du dasselbe denkst [und damit es wirklich jeder, absolut jeder versteht:] wie ich, wie ich, wie ich“ in den Äther rotzt, steckt der kleine Mirko auf Wangerooge gerade seiner ersten Liebe Linda, dass er nachts nicht schlafen kann und ihr danach die Zunge in den Hals. An und für sich ja ein Akt des Erwachsenwerdens und völlig legitim. Aber eine Jugend hat ihre Helden selber zu produzieren und die Zielgruppe der letzten Nachwehe der neuen deutschen Welle (frühere Band; "Ideal"), ist eh eine andere. Es sind die ganzen von Disney und Ben Affleck geschädigten Hausfrauen dieser Welt, die durch den Ich+Ich-Feenstaub auf Drogen gesetzt werden. Alterschnittsenker Adel Tawil umkurvt dabei mit Heliumstimme, Migrationsvordergrund und hipper Frisur jede auftretende Ecke oder Kante und spritzt dem Radiovolk die nächste Dosis Anästhetikum. Hinaus aus einer Welt der Probleme und Familiengerichte auf RTL, hinein in eine Welt voller wollig warmer Worthülsen wie „Seelenverwandter“ und „Retter in der Not“. Dass an dieser Vorstellung mehr Lieben zerbrochen als gewachsen sind, stört Frau Humpe nicht. Sie tourt mit ihrer Botschaft von einer Tupperparty zur nächsten und schläft nachts tief und selbstbewusst.
Lieblingszeile: „wo viele Schatten sind da ist auch Licht / ich laufe zu dir ich vergesse dich nicht / du kennst mich und mein wahres Gesicht“
Jack Johnson: Auf einem Lehrgang im Zivildienst versuchte mir jemand zu erklären warum Jack Johnson toll sei. Dieser jemand trug einen Pullover, vom dem man nicht wusste ob er in seine Dreadlocks überging oder umgekehrt. Also jemand, den man grundsätzlich auch mit Jack Johnson in Verbindung bringen würde. Er sagte mir, dass er es bewunderswert finden wurde, was dieser junge Mann aus den immer gleichen drei Akkorden machen würde. Meinen Einwand, dass er ja auch mal einen anderen dazu nehmen oder gar ganz andere Akkorde einsetzen könne, lies der Krankenpfleger nicht gelten. Nein, Jack Johnson hat sich seine kleine Welt gebaut. Mit Lagerfeuer, Flip-Flops und Albumtiteln wie „ Brushfire Fairytales“ oder „In Between Dreams“. Dazu gibt’s Videos mit animierten Tieren, die man in den Arm nimmt, sowie die immer gleiche Khaki-Hose und fertig ist die Gesamtschulhysterie. Jack Johnson geht es gut. So gut, dass er keine Musik machen müsste. Die drei Akkorde kriegen andere auch noch hin. Aber eben in einem Lied und nicht in einem dutzend Alben. Nein, Jack Johnson-Musik stört nicht. Sie lässt dich dein Leben weiter leben, dich unberührt. Jack Johnson will nichts von dir. Er tut so sehr nicht weh, dass es weh tut. Jack Johnson istein musikalischer Zeuge Jehovas. So voller innerer Ruhe und dem ewig gleichen bekifften Dauergrinsen im Gesichtselfmeter, dass man ihn einfach nur windelweich prügeln möchte. Nur, damit er aufhört zu grinsen. Private Paula mit Gitarre. Du musst auch seine CD nicht kaufen. Er braucht ja doch nur die Sonne Kaliforniens und sein Lagerfeuer. Oder um es mit den treffenden Worten der Neon zu sagen:„Das neue Jack Johnson-Album – Für Menschen, die sich eigentlich nicht für Musik interessieren.“
Lieblingszeile: interessiert nicht.
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